Leitsatz
Beteiligt sich eine sogenannte Freiberufler-Kapitalgesellschaft mitunternehmerisch an einer Freiberufler-Personengesellschaft, so erzielt die Personengesellschaft insgesamt gewerbliche Einkünfte.
Normenkette
§ 40, § 41 Abs. 1 AO, § 716 BGB, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 18 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 4 S. 2 EStG, § 2 Abs. 1 S. 2, § 7 GewStG, § 8 Abs. 2 KStG
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine Rechtsanwalts-Sozietät in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Mit Wirkung zum 01.01.1995 veräußerten zwei Gesellschafter ihre Gesellschaftsanteile einer Wirtschafts- und Steuerberatungs-GmbH, an welcher ausschließlich Freiberufler beteiligt waren. Die GmbH war fortan mit 79 % beteiligt. Die Klägerin erklärte für die Streitjahre 1995 bis 1998 Einkünfte aus selbstständiger Arbeit.
Im Anschluss an eine Außenprüfung erließ das beklagte FA erstmals Bescheide über den einheitlichen GewSt-Messbetrag für diese Jahre. Die Klägerin gab für die Jahre 1999 bis 2001 dem folgend GewSt-Erklärungen ab. Gleichwohl legte sie gegen die GewSt-Messbescheide für die Streitjahre 1995 bis 1999 Einspruch ein und verwies zur Begründung insbesondere auf das sogenannte Klinik-Urteil des BVerfG zur USt, Beschluss vom 10.11.1999, 2 BvR 2861/93, BStBl II 2000, 160.
Das FG (FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 12.04.2005, 4 K 346/02, Haufe-Index 1392134, EFG 2005, 1373) wies die Klage trotz ausführlich begründeter verfassungsrechtlicher Bedenken gegen die GewSt sowie die Abfärberegelung als unbegründet ab.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück. Die von der Klägerin erzielten Einkünfte seien zu Recht als gewerblich qualifiziert und ebenso im Ergebnis zutreffend die Zuordnung der von der Freiberufler-Kapitalgesellschaft erzielten Einkünfte als gewerbliche und die sogenannte Abfärberegelung in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG als verfassungsmäßig beurteilt worden.
Nach den bindenden Feststellungen des FG sei die GmbH durch den Erwerb sowie die gleichzeitige Abtretung der Mitunternehmeranteile uneingeschränkt in die Rechtsstellung der vormaligen Gesellschafter eingetreten. Unerheblich sei, dass die GmbH, wie die Klägerin behauptet, von ihren Stimmrechten nicht Gebrauch gemacht habe. Ein gesellschaftsvertraglicher Ausschluss des Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechts zulasten der GmbH sei indessen nicht festgestellt. Es könne offen bleiben, ob die Klägerin als Rechtsanwalts-Sozietät standes- oder gesetzwidrig hinsichtlich des Eintritts der GmbH gehandelt habe; denn die steuerrechtliche Beurteilung der Einkünfte der Sozietät richte sich insoweit nach den §§ 40, 41 Abs. 1 AO. Die Beteiligten hätten das wirtschaftliche Ergebnis des Eintritts der GmbH in die GbR eintreten und bestehen lassen. Die GmbH habe nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich an den Gewinn- und Verlustzuweisungen teilgenommen und auch das Haftungsrisiko mitgetragen.
Aus dem zur Rechtsformneutralität im USt-Recht ergangenen Beschluss des BVerfG könne nicht zugleich die verfassungsrechtliche Unzulässigkeit der GewSt-Pflicht kraft Rechtsform gefolgert werden; denn USt einerseits und GewSt andererseits unterschieden sich vom System her grundlegend, dazu auch BVerfG, Beschluss vom 21.06.2006, 2 BvL 2/99 (BverfGE 116, 164 zu § 32c EStG a.F.).
Hinweis
1. Bislang gab es noch keine eindeutige Rechtsprechung zu der dem Streitfall zugrunde liegenden Frage, ob auch die Beteiligung einer Freiberufler-Kapitalgesellschaft die Einkünfte der freiberuflichen Personengesellschaft infiziert. Wendt (BFH/PR 2004, 146) wollte seinerzeit eine Ausnahme nicht völlig ausschließen.
2. Nunmehr hat das zum 12.04.2008 in Kraft getretene 8. Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes (BGBl I 2008, 666) auf ausdrücklichen Wunsch der Verbände in dem neu in § 50 Abs. 1 StBerG eingefügten S. 2 die GmbH & Co. KG als zulässige Rechtsform einer Steuerberatungsgesellschaft aufgenommen. Das BMF hat allerdings auf entsprechende Anfrage der Bundessteuerberater- und Wirtschaftsprüferkammer bereits im Vorfeld mitgeteilt, dass in soweit eine Umqualifizierung der freiberuflichen in gewerbliche Einkünfte unvermeidbar sei. Vor diesem Hintergrund kommt der Besprechungsentscheidung eine weitreichende klarstellende Bedeutung zu.
3. Eine Personengesellschaft kann nur dann eine freiberufliche Tätigkeit ausüben, wenn sämtliche Gesellschafter die Merkmale eines freien Berufs erfüllen; denn die tatbestandlichen Voraussetzungen der Freiberuflichkeit können nicht von der Personengesellschaft selbst, sondern ausschließlich von den natürlichen Personen erfüllt werden.
4. Für eine selbstständige Arbeit i.S.v. § 18 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG ist die persönliche Berufsqualifikation und eine berufsbezogene Tätigkeit des Steuerpflichtigen prägend. Die Gesellschafter müssen zumindest in ihrem Bereich leitend und eigenverantwortlich tätig sein. Eine rein kapitalmäßige Beteiligung oder die bloße Beschaffung von Aufträgen reicht nicht aus.
5. Erfüllt nur einer der Gesellschafter diese Voraussetzungen nicht, ...