Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
1. Der Gewinn aus der Veräußerung eines Wandeldarlehens ist ein geldwerter Vorteil, soweit sich die bis dahin latent bestehende Möglichkeit zum verbilligten Aktienerwerb verwirklicht (Anschluss an BFH-Urteil vom 23.06.2005, VI R 10/03, BFH/NV 2005, 1706, BFH/PR 2005, 368).
2. Die Zurechnung des geldwerten Vorteils zu einem erst künftigen Dienstverhältnis ist zwar nicht ausgeschlossen, bedarf aber der Feststellung eines eindeutigen Veranlassungszusammenhangs, wenn sich andere Ursachen für die Vorteilsgewährung als Veranlassungsgrund aufdrängen.
Normenkette
§ 19 EStG
Sachverhalt
Die E-AG beschloss 1997, mit 2 % verzinsliche Inhaberwandelschuldverschreibungen zu begeben und sie den Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern, ihren eigenen und den Arbeitnehmern der mit der E-AG verbundenen Unternehmen anzubieten. Die E-AG schloss an deren Stelle dann allerdings Wandeldarlehensverträge. Die Gesellschafter der I-KG verpflichteten sich am 13.05.1998 gegenüber der E-AG, die I-KG in die I-GmbH umzuwandeln, bei der I-GmbH eine Kapitalerhöhung (50000 DM) durchzuführen und die E-AG zur Übernahme der Kapitalerhöhung gegen Zahlung von 2 750 000 DM zuzulassen. Die Geschäftsführung der I-GmbH war die der bisherigen I-KG. Der E-AG konnte allerdings die Mehrheit der Mitglieder des Aufsichtsrats bestellen und abberufen.
Im August wurde die I-KG dann rückwirkend auf den 01.01.1998 in die I-GmbH umgewandelt. K, Leiter der Vertriebsabteilung und Kommanditist der I-KG, gab am 13.05.1998 der E-AG ein mit 2 % zu verzinsendes Darlehen über 15 000 DM, rückzahlbar spätestens am 28.10.2007 zum Nennbetrag. K hatte stattdessen auch das Recht, seinen Rückzahlungsanspruch in Aktien der E-AG zu wandeln. Das Wandlungsrecht konnte erstmals am 13.05.2000 für maximal 50 % der zu beziehenden Aktien unter Zugrundelegung des Kurswerts der Aktie am 13.05.1998 ausgeübt werden. Bei Beendigung des Anstellungsverhältnisses entfiel das Wandlungsrecht. Die I-GmbH und K schlossen am 01.08.1998 einen auf den 01.01.1998 rückwirkenden Arbeitsvertrag. Danach hatte K Einzelprokura und war in der Geschäftsleitung tätig. Im Juni 2000 veräußerte K die Hälfte des Wandeldarlehens (7 500 DM) nebst allen Rechten an eine Bank und erzielte daraus einen Überschuss i.H.v. insgesamt 7 114 166 DM.
Im Anschluss an eine Steuerfahndung berücksichtigte das FA diesen Überschuss zunächst als Kapitaleinkünfte. Nach Einspruch ordnete es den Überschuss den Lohneinkünften zu, ließ aber die festgesetzte ESt unverändert. Die dagegen erhobene Klage blieb erfolglos (FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30.01.2008, 3 K 139/07, Haufe-Index 1965855).
Entscheidung
Der BFH hob aus den unter Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen die Vorentscheidung auf und gab dem FG auf, entsprechende Feststellungen nachzuholen, und auf dieser Grundlage erneut zu entscheiden.
Hinweis
Wie immer, wenn sich Arbeitnehmer oder – wie im Streitfall – künftige Arbeitnehmer an ihrem Arbeitgeber kapitalmäßig beteiligen und aus dieser Kapitalbeteiligung einen Gewinn erzielen, kann dieser den Kapitaleinkünften, Lohneinkünften oder auch (jedenfalls vor 2009) dem nicht einkommensteuerbaren Vermögensbereich zuzurechnen sein.
1. Der VI. Senat führt im Besprechungsfall seine Linie fort, wonach regelmäßig kein Arbeitslohn vorliegt, wenn der Vorteil auf eigenständigen Rechtsbeziehungen (etwa Kapitalüberlassung auf Zeit) gründet, bei denen schon für sich betrachtet Leistung und Gegenleistung in einem ausgewogenen Verhältnis stehen, so insbesondere im Urteil zu den "Eva-Zertifikaten" (BFH, Urteil vom 17.06.2009, VI R 69/06, BFH/NV 2009, 1870, BFH/PR 2009, 460). Ob der Vorteil einer Sonderrechtsbeziehung, einer anderen Einkunftsart oder dem nicht einkommensteuerbaren Bereich zuzurechnen ist, entscheidet in erster Linie die Tatsacheninstanz in einer ihr obliegenden tatsächlichen Würdigung; diese ist revisionsrechtlich nur dann nicht bindend, wenn wesentliche Umstände des Einzelfalls nicht einbezogen werden. Das war hier der Fall; offen blieb, aus welchen Gründen – trotz Sonderrechtsbeziehung (Darlehensvertrag) – der Vorteil dem zu diesem Zeitpunkt nicht einmal bestehenden Arbeitsverhältnis zugerechnet worden war. Allein das Sonderkündigungsrecht bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses lässt der BFH nicht genügen.
2. Was hätte berücksichtigt werden müssen? Was war die Motivation der E-AG zum Vertragsabschluss mit K? Sind allen Mitarbeitern der I-KG gleichartige Verträge angeboten worden? Galt das Angebot – was eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung indizierte – nur Gesellschaftern der I-KG? Immerhin war K als Gesellschafter Entscheidungsträger hinsichtlich der Umwandlung, an der die E-AG offenkundig ein herausragendes Interesse hatte. War etwa das Wandeldarlehen Anreiz, der Umwandlung zuzustimmen? Wurden auch Nichtarbeitnehmern diese Verträge angeboten? Schließlich blieben auch die vom BFH (Beschluss vom 23.01.2006, VIII B 116/05, BFH/NV 2006, 1081) bei identischem Sachverhalt in einem Parallelverfahren erwogenen Aspekte unberücksi...