Leitsatz

Gem. § 8b Abs. 2 KStG 2002 bleiben bei der Ermittlung des Einkommens Gewinne aus der Veräußerung eines Anteils an einer Körperschaft oder Personenvereinigung, deren Leistungen beim Empfänger zu Einnahmen i.S.d. § 20 Abs. 1, 2, 9 und 10 Buchst.a EStG 2002 führen, außer Ansatz, nicht aber Gewinne aus der Veräußerung eines durch Kapitalerhöhung entstandenen Bezugsrechts an einem entsprechenden Anteil (Bestätigung des BMF-Schreibens vom 28.04.2003, BStBl I 2003, 292, 295; Abgrenzung von dem BFH-Urteil vom 27.10.2005, IX R 15/05, BStBl II 2006, 171, BFH/PR 2006, 62).

 

Normenkette

§ 8b Abs. 2 KStG 2002, § 3 Nr. 40 S. 1 Buchst. j, § 17 Abs. 1 S. 3, § 23 EStG 2002

 

Sachverhalt

Es ging um die (mittelbare) Beteiligung einer AG I an einer anderen AG II. Bei letzterer wurde im März 2002 eine Kapitalerhöhung beschlossen. Die AG I nahm an dieser Kapitalerhöhung nicht teil, sondern veräußerte die ausgegebenen Bezugsrechte. Den dabei erzielten Gewinn behandelte sie nach § 8b Abs. 2 i.V.m. Abs. 6 KStG 2002 als steuerfrei. Das FA folgte dem unter Hinweis auf das BMF-Schreiben vom 28.04.2003 (BStBl I 2003, 292, 295) nicht und stellte die Besteuerungsgrundlagen hiernach einheitlich und gesondert fest.

Die anschließende Klage war erfolgreich (Haufe-Index 1604045, EFG 2007, 214).

 

Entscheidung

Der BFH hob das FG-Urteil auf und wies die Klage ab:

Bezugsrechte seien nun einmal keine Anteilsrechte und nur bei Letzteren sehe § 8b Abs. 2 KStG eine Steuerfreistellung für Veräußerungsgewinne vor. Ob das wirtschaftlich voll und ganz überzeuge, könne dahinstehen. Der BFH sei nicht gezwungen, hier Gleichklang herzustellen.

 

Hinweis

1.§ 8b Abs. 2 KStG stellt Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften von der KSt frei.

2. Ungewiss war bislang, ob davon auch Gewinne aus der Veräußerung vonBezugsrechten erfasst sind. Aus wirtschaftlicher Sicht erscheint das mehr oder weniger zwingend, "repräsentieren" Bezugsrechte doch nur abgespaltene Anteilsrechte und bergen diese wie jene dieselben stillen Reserven in sich.

Gleichwohl: Den BFH haben derartige wirtschaftliche Gesichtspunkte angesichts des klaren Regelungswortlauts nicht überzeugt. Er hat Gewinne aus der Bezugsrechtsveräußerung deswegen von der Begünstigung ausgenommen und die Verwaltungspraxis bestätigt. Es ist damit letztlich Sache des Gesetzgebers, hier Gleichklang herzustellen (fraglich ist nur, ob er das tut).

3. Das etwas "Pikante" der Entscheidung ist eine Diskrepanz zu der Spruchpraxis des IX. Senats des BFH.

Diese Spruchpraxis betrifft zwar (nur) die parallele Regelungslage in § 3 Nr. 40 S. 1 Buchst. j EStG für private, § 23 EStG unterfallende Anteilsveräußerungen. Für Gewinne aus solchen Veräußerungen hat der IX. Senat durch Urteil vom 27.10.2005, IX R 15/05 (BFH/PR 2006, 62) Bezugsrechte in den Regelungsbereich des § 3 Nr. 40 S. 1 Buchst. j EStG einbezogen und sie folglich den dort geregelten hälftigen Abzugsbeschränkungen unterworfen.

§ 3 Nr. 40 S. 1 Buchst. j EStG und § 8b Abs. 2 KStG sind in dem hier maßgeblichen Punkt ihrem Wortlaut nach völlig übereinstimmend ("… der Veräußerung u.a. eines Anteils an einer Körperschaft oder Personenvereinigung, deren Leistungen beim Empfänger zu Einnahmen i.S.d. § 20 Abs. 1 … gehören"). Beide Normen entspringen übereinstimmend auch dem Systemwechsel vom KSt-Anrechnungs- zum KSt-Halbeinkünfteverfahren und sind von derselben "Normidee" getragen.

Der im Besprechungsurteil entscheidende I. Senat hatte deswegen beim IX. Senat angefragt, ob er sich seinem Regelungsverständnis anschließen könnte. Das hatte wiederum der IX. Senat verneint. Folge wäre an sich die Anrufung des Großen Senats des BFH gewesen (§ 11 Abs. 3 FGO).

Das ist unterblieben. Der I. Senat meint (nunmehr), nachdem der IX. Senat sich auf "seine" Normen "zurückgezogen" hat ("jedenfalls"), dass die Divergenz eine scheinbare sei. Die Situation bei betrieblichen und bei privaten Veräußerungen sei nicht deckungsgleich.

Das mag man so begründen. Schön ist dieses Ergebnis für den Steuerpflichtigen sicher dennoch nicht. Letztlich muss er den Rücken dafür hinhalten, dass zwei Ertragsteuersenate eine unterschiedliche Rechtsmeinung verfechten.

4. Folge des Ganzen ist jedenfalls:

Nicht nur Gewinnen aus der Veräußerung "einfacher" Bezugsrechte wird die Vergünstigung des § 8b Abs. 2 KStG versagt. Betroffen sind auch Wandelschuldverschreibungen und Optionsrechte u.Ä.

Dessen ungeachtet birgt die Aussparung von Bezugsrechten naturgemäß auch (Gestaltungs-)Vorteile: Erfolgt der Bezugsrechtsverkauf beizeiten, bleibt es bei der Steuerpflicht, vice versa aber auch der Abziehbarkeit damit einhergehender Minderungen (§ 8b Abs. 3 KStG), was sich namentlich in Verlustsituationen als günstig erweisen wird.

Natürliche Personen und Personengesellschaften und damit auch deren Verluste aus Bezugsrechtsveräußerungen unterfallen demgegenüber dem Halbabzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 23.01.2008, I R 101/06

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge