Leitsatz
Werden Besteuerungsgrundlagen aufgrund der Verletzung von Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten geschätzt, ist die Finanzbehörde berechtigt und ggf. sogar verpflichtet, innerhalb des gegebenen Schätzungsrahmens an die oberste Grenze zu gehen.
Sachverhalt
Der Kläger hat für die Streitjahre 2007 - 2009 weder ESt- noch USt-Erklärungen abgegeben. Die Internet-Ermittlungsstelle des Bundeszentralamtes für Steuern ermittelte bei den Internetplattformen autocout24.de und ebay.de zu bestimmten Accounts die gespeicherten Daten und ordnete dem Kläger zahlreiche Verkaufsangebote für Pkw zu. Nach einer Hausdurchsuchung kam die Außenprüferin zu dem Ergebnis, dass der Kläger im Prüfungszeitraum mindestens 202 Verkaufsangebote abgegeben und deshalb gewerbliche Einkünfte erzielt habe, deren Höhe zu schätzen sei. Der Kläger behauptet dagegen, überhaupt keine Verkäufe von Pkw getätigt zu haben. Die nötigen Beweismittel (insb. Rechnungen) könne das Finanzamt auch nicht vorlegen.
Entscheidung
Die Klage ist unbegründet. Zunächst steht aufgrund der Auskünfte der Internetportale automobile24.de und ebay.de fest, dass der Kläger in den Streitjahren wiederholt gebrauchte Pkw zum Verkauf angeboten hat. Darüber hinaus hat der Kläger nach den Angaben im Verzeichnis zu dem roten Kennzeichen in allen Streitjahren Probefahrten durchgeführt. Überdies gingen auf dem Konto des Klägers in den Streitjahren Bar- und Scheckeinzahlungen in erheblichem Umfang ein. Des Weiteren wurde der Kläger selbst im Jahr 2008 wegen Tachomanipulationen beim Verkauf eines Pkw verklagt. Der Senat ist deshalb überzeugt, dass der Kläger in den Streitjahren einen Handel mit gebrauchten Pkw betrieben hat. Der somit bestehenden Pflicht zum Führen von Büchern und Aufzeichnungen ist der Kläger nicht nachgekommen. Aus diesem Grund ist das Finanzgericht nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, bei der vorzunehmenden Schätzung in dem gegebenen Schätzungsrahmen an die oberste Grenze zu gehen. Ausgangspunkt für die Schätzung sind die festgestellten Preise, zu denen die Pkw auf den Internetportalen zum Verkauf angeboten wurden. Der Senat nimmt hiervon einen Abschlag für Preissenkungen im Rahmen der Verkaufsverhandlungen vor und wendet einen Sicherheitszuschlag für Bareinnahmen an. Unter Berücksichtigung des vom Senat geschätzten Wareneinsatzes ergibt sich der Rohgewinn, der noch durch den Reingewinn begrenzt wird.
Hinweis
Das Urteil vermag nicht zu überraschen, da es der Rechtsprechung des BFH entspricht (vgl. BFH v. 09.03.1967, BStBl. III 1967, S. 349). Zudem verdeutlicht es, dass die Anonymität des Internets keinesfalls für das Verhältnis zwischen Steuerpflichtigen und dem Finanzamt gilt. Selbst wenn keine Verkaufsrechnungen nachgewiesen werden können, sind die Finanzbehörden berechtigt, die geschuldeten Steuern zu schätzen und nachzuerheben.
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil vom 19.06.2015, 14 K 3865/12 E,U