Prof. Dr. Bernd Heuermann
Leitsatz
Ein erst nach Ablauf seiner befristeten Unwiderruflichkeit angenommenes, notarielles Kaufangebot stellt keinen "gleichstehenden Rechtsakt" i.S.v. § 7h Abs. 1 Satz 3 bzw. § 7i Abs. 1 Satz 5 EStG dar.
Normenkette
§ 7h, § 7i EStG
Sachverhalt
Der Steuerpflichtige gab gegenüber dem Bauträger am 10.7.2003 ein notariell beurkundetes Vertragsangebot zum Abschluss eines Bauträgervertrags über eine Wohneinheit ab, das befristet unwiderruflich war.
Das Vertragsangebot enthält u.a. folgende Klausel: "Der Anbieter hält sich an dieses Angebot vier Monate gerechnet ab heute unwiderruflich gebunden. Der Angebotsempfänger kann das Angebot bis zu diesem Termin annehmen. Nach Ablauf der Frist erlischt das Angebot nicht von selbst, kann jedoch durch den Anbieter jederzeit widerrufen werden."
Mit notariell beurkundeter Erklärung vom 11.11.2003 nahm der Bauträger das Angebot an. Das FA berücksichtigte beim Steuerpflichtigen erhöhte Absetzungen nach §§ 7h, 7i EStG nur in geringem Umfang. Begünstigte Sanierungsaufwendungen lägen zwar vor, seien aber überwiegend bereits vor der Annahme des Vertragsangebots durch den Bauträger am 11.11.2003 erbracht worden. Demgegenüber meint der Steuerpflichtige, es komme auf das Angebot an. Erst danach seien fast alle begünstigten Sanierungsaufwendungen erbracht worden. Das FG (Sächsisches FG, Urteil vom 6.12.2011, 6 K 1557/10, Haufe-Index 3200685) folgte der Auffassung des FA.
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Entscheidung des FG und wies die Revision des Klägers zurück. Wie sich aus den in den Praxis-Hinweisen ergebenden Maßstäben ergibt, stellt das Vertragsangebot vom 10.7.2003 keinen gleichstehenden Rechtsakt i.S.v. § 7h Abs. 1 Satz 3, § 7i Abs. 1 Satz 5 EStG dar; daran ändert auch seine befristete Unwiderruflichkeit nichts. Es kommt jedenfalls dann nicht darauf an, wie lange das Angebot bindend war, wenn es – wie hier – erst nach Ablauf der Bindungsfrist (am 11.11.2003) angenommen wurde. Daher konnten erst für Maßnahmen nach Annahme des Vertragsangebots begünstigte Sanierungsaufwendungen anfallen.
Hinweis
Das Steuerrecht begünstigt Investitionen in Gebäude, die in Sanierungsgebieten oder städtebaulichen Entwicklungsbereichen liegen oder bei denen es sich um ein Baudenkmal handelt, durch erhöhte Absetzungen (§§ 7h, 7i EStG).
1. Der Steuerpflichtige kann nach § 7h Abs. 1 Satz 3 EStG diese erhöhten Absetzungen im Jahr des Abschlusses der fraglichen Maßnahme und in den folgenden Jahren auch für Anschaffungskosten in Anspruch nehmen, die auf Sanierungsmaßnahmen oder Erhaltungskosten für ein Baudenkmal (als Herstellungskosten) entfallen, soweit diese nach dem rechtswirksamen Abschluss eines obligatorischen Erwerbsvertrags oder eines gleichstehenden Rechtsakts durchgeführt worden sind.
2. Mit einem obligatorischen Erwerbsvertrag wird zum einen eine beidseitige Bindung von Voreigentümer und Erwerber definiert, zum anderen – notariell beurkundet – ein objektiv eindeutiger Zeitpunkt hierfür festgelegt. Da das Gesetz mit "obligatorischer Erwerbsvertrag" und "gleichstehender Rechtsakt" gleichwertige alternative Begünstigungsvoraussetzungen formuliert, sind an den gleichstehenden Rechtsakt hinsichtlich seiner Rechtsbindung und der Rechtsklarheit dieselben Anforderungen zu stellen wie an den obligatorischen Erwerbsvertrag.
3. Der Begriff des obligatorischen Erwerbsvertrags umfasst insbesondere Kauf oder Tausch eines bebauten Grundstücks; maßgebender Zeitpunkt für den Erwerb ist die formgerechte schuldrechtliche Erwerbsverpflichtung, von der sich kein Beteiligter mehr einseitig lösen kann. Parallel hierzu sind gleichstehende Rechtsakte, insbesondere der Erbfall, das Vermächtnis nach Annahme, der Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren oder der Erwerb von Anteilen an einer Personengesellschaft, nicht aber ein unwiderrufliches notarielles Kaufangebot. Denn ein solches begründet weder eine beidseitige Verpflichtung noch definiert es einen konkreten Erwerbszeitpunkt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 19.2.2013 – IX R 32/12