Folgen eines ungeplanten Wegzugs im Lichte des neugefassten § 6 AStG
[Ohne Titel]
Prof. Dr. Burkhard Binnewies, RA/FASt / Dr. Markus Wollweber, Dipl.-Finw. (FH), RA/FASt
Der Berater von im Inland ansässigen GmbH-Gesellschaftern muss stets auch § 6 AStG im Auge haben, wenn der Mandant einen Wegzug in das Ausland beabsichtigt oder vollzogen hat. Die Vorschriften zur Wegzugsbesteuerung sind vom Gesetzgeber zwischenzeitlich überarbeitet und verschärft worden. Nachstehender Beitrag gewährt einen Überblick über den aktuellen Tatbestand und gibt Gestaltungshinweise.
1. Einleitung
In der Regel haben Mandanten das Steuer- und Haftungsrisiko der Wegzugbesteuerung nicht präsent. Dabei sind die Folgen eines ungeplanten Wegzugs mitunter dramatisch – insbesondere aufgrund der im vergangenen Jahr in Kraft getretenen Neufassung des § 6 AStG. Nachstehender Beitrag befasst sich mit der gesetzgeberischen Neufassung des § 6 AStG und gibt Hinweise zu Gestaltungsüberlegungen.
§ 6 AStG sieht in der Rechtsfolge grundsätzlich
- die vollständige Versteuerung der stillen Reserven der „mitgenommenen "Beteiligung" und
- bei Rückkehrwillen keine vollständige Stundung, sondern nur noch eine über 7 Jahre ratierliche Ratenzahlung vor.
Fiktion einer Veräußerung i.S.d. § 17 EStG: Im Rahmen der Wegzugbesteuerung nach § 6 AStG fingiert das Gesetz eine Veräußerung i.S.d. § 17 EStG für den Fall, dass das inländische Besteuerungsrecht für entsprechende Beteiligungen verloren geht.
2. Persönlicher Anwendungsbereich
In den Anwendungsbereich von § 6 AStG fallen
- natürliche Personen,
- die innerhalb der letzten 12 Jahre vor dem Wegzug
- insgesamt mindestens 7 Jahre unbeschränkt steuerpflichtig i.S.d. § 1 Abs. 1 EStG waren (§ 6 Abs. 2 AStG).
Rechtsnachfolger: Im Fall der Rechtsnachfolge werden dem Rechtsnachfolger gem. § 6 Abs. 2 S. 2 AStG die Zeiten der unbeschränkten Steuerpflicht des Rechtsvorgängers zugerechnet.
Rückkehrer: Entfällt die Wegzugbesteuerung aufgrund der Rückkehr innerhalb von 7 Jahren (§ 6 Abs. 3 S. 1 AStG), wird der Rückkehrer in den von der Wegzugsteuer erfassten Personenkreis einbezogen.
Beraterhinweis Zu beachten ist daher, dass in Fällen der Rückkehrregelung (§ 6 Abs. 3 AStG) gem. § 6 Abs. 2 S. 4 AStG die unbeschränkte Steuerpflicht durchgängig fingiert wird.
3. Sachlicher Anwendungsbereich
Die Wegzugsteuer erfasst
Drei Wegzugsteuertatbestände: § 6 Abs. 1 S. 1 AStG sieht drei Wegzugsteuertatbestände vor:
- 1. Konstellation: Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht infolge der Aufgabe des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts (§ 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AStG);
- 2. Konstellation: Unentgeltliche Übertragung auf eine nicht unbeschränkt steuerpflichtige Person (§ 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AStG);
- 3. Konstellation: Ausschluss oder Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile (§ 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AStG).
Beachten Sie: § 6 Abs. 1 S. 3 AStG stellt klar, dass bei Zahlung der Wegzugsteuer die Anteile fortan als zum gemeinen Wert erworben gelten. Für die ersten beiden Fallkonstellationen kommt es auf den Ausschluss oder die Beschränkung deutscher Besteuerungsrechte nicht an. Die dritte Konstellation soll auch die Fälle der sog. passiven Entstrickung durch Neuabschluss oder Änderung eines DBA erfassen.
a) Wegzug in einen DBA-Staat
Beim Wegzug in DBA-Staaten kommt es im Regelfall zum Verlust des deutschen Besteuerungsrechts. Die DBA weisen das Besteuerungsrecht für den Gewinn aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen dem Ansässigkeitsstaat zu.
b) Wegzug in einen Nicht-DBA-Staat
Das deutsche Besteuerungsrecht geht hingegen nicht verloren, wenn der Wegzug in einen Nicht-DBA-Staat erfolgt, in Deutschland aber ein Zweit-Wohnsitz beibehalten wird. Hier bleibt es bei der Steuerpflicht nach § 17 Abs. 1 S. 1 EStG.
Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts durch Steueranrechnung? Fraglich ist allerdings, ob eine etwaige Anrechnung einer ausländischen Steuer auf die deutsche Steuer nach § 34c, § 34d EStG zu einer Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts führt.
Nach Auffassung der Literatur kommt die Anrechnung nur bei ausländischen Einkünften in Betracht. Diese würden in den vorliegenden Konstellationen nur vorliegen, wenn der Sitz der Gesellschaft sich im Ausland befindet oder es sich um eine Immobiliengesellschaft mit 50 % Immobilienvermögen im ausländischen Staat handelt (§ 34d Nr. 4b EStG).
4. Rechtsfolgen des Wegzugs nach § 6 AStG
Besteuerung des Veräußerungsgewinns nach § 17 EStG: Rechtsfolge des Wegzugs nach § 6 AStG ist die Besteuerung des Veräußerungsgewinns nach § 17 EStG. Die Differenz zwischen Anschaffungskosten und dem gemeinen Wert unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens unterliegt der Einkommensteuer.
Verluste werden nicht fiktiv realisiert. Bei Zahlung der Wegzugsteuer kommt es nach § 6 Abs. 1 S. 3 AStG zur Aufstockung...