Ausgangsbeispiel
In der Satzung der X-GmbH ist bestimmt, dass die Geschäftsanteile mit den Nr. 1-12.500 (50 %) nach dem Tod des derzeitig mit 50 % an der Gesellschaft beteiligten Anteilseigners A zwar auf den eingesetzten Erben E übergehen, diese Anteile aber dem E kein Stimmrecht gewähren.
Vielmehr soll das Stimmrecht dauerhaft abgespalten und von einem KI-basiert durch einen aufgrund des Persönlichkeitsprofils des derzeitigen Anteilseigners erstellten Avatar ausgeübt werden.
Variante (schuldrechtlicher Stimmbindungsvertrag)
Der Erbe erhält im Todesfall des A dessen Anteile Nr. 1-12.500 mit der hierfür gesetzlich vorgesehenen Stimmberechtigung. In einem schuldrechtlichen Stimmbindungsvertrag, der zwischen den derzeitigen beiden Gesellschaftern der GmbH und dem zukünftigen in den Anteil des A nachfolgeberechtigen Erben geschlossen wird, verpflichtet sich der Erbe aber, nach dem Tod des A das Stimmrecht für die Anteile nur noch nach Weisung des KI Avatars des verstorbenen A auszuüben, wenn und soweit die Weisung des KI Avatars nicht rechtswidrig ist.
1. Zulässigkeit der dauerhaften Abkoppelung des Stimmrechts vom Anteil?
Im Ausgangsbeispiel wären ab dem Tod des A die Geschäftsanteile aus Sicht des E stimmlos gestellt.
Die Ausgabe "stimmloser Geschäftsanteile" in einer GmbH wird von der Rechtsprechung und Literatur überwiegend bejaht.
Unklar bleibt in der Rechtsprechung, in welchem Umfang solche Anteile ausgegeben werden können.
Ungeklärt ist insbesondere, ob die Beschränkungen des § 139 AktG (Satz der stimmlosen Anteilen in Aktiengesellschaften nur bis zur Hälfte des Grundkapitals und bei Vorzugsgewinn zubilligt) auch auf die GmbH Anwendung finden sollen. Eine analoge Anwendung von § 139 AktG wird im Hinblick auf die dem Gesellschafter verbleibenden Mitgliedschaftsrechte in der Literatur jedoch allgemein abgelehnt.
2. Fehlende Rechtssubjektivität des Avatars
Trotz dieser grundsätzlich für möglich gehaltenen Ausgabe stimmloser Geschäftsanteile bleibt fraglich, ob dieses Stimmrecht anstelle eines Gesellschafters – also einer Rechtspersönlichkeit mit Rechtsfähigkeit – an einen KI Avatar übertragen werden kann – also letztlich auf einen bloßen Algorithmus einer KI-Software.
Der KI Avatar kann nicht Gesellschafter sein: Ihm fehlen die Rechtsfähigkeit und die Rechtsubjektivität, um Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Nach deutschem Recht kann nur eine natürliche oder juristische Person oder eine Personenvereinigung mit Rechtsfähigkeit Gesellschafter mit Stimmrecht sein. Der Avatar kann insoweit auch selbst nicht an einer Gesellschafterversammlung teilnehmen und dort auch kein wirksames Stimmrecht abgeben. Insofern ist im Ansatz klar, dass der Avatar nicht Inhaber eines Gesellschafterrechts oder eines Stimmrechts sein kann.
Möglichkeit einer gesellschaftsvertraglich angeordneten Stimmrechtsfiktion? Aber könnte eine Satzung – qua gesellschaftsvertraglich angeordneter Stimmrechtsfiktion – die Gesellschaft und die übrigen Gesellschafter verpflichten, sich jeweils so zu stellen und ein Abstimmungsergebnis so zu akzeptieren, als hätte der KI Avatar eigene Stimmrechte?
Argumente gegen eine unmittelbare Stimmrechtsfiktion:
- Eine unmittelbare Stimmrechtsfiktion wäre u.E. schon deshalb unwirksam, als Beschlüsse der GmbH gegebenenfalls nicht nur inter partes, sondern inter omnes wirken.
- Auch wäre unklar, welche Folgen es hätte, wenn sich die Gesellschafter über eine solche Klausel hinwegsetzen würden.
- Überdies wäre eine solche Regelung aufgrund des Abspaltungsverbots von Stimmrechten gem. § 711a BGB rechtlich angreifbar. Sinn und Zweck des Abspaltungsverbots ist es, die Gesellschaft von Einflüssen "Dritter" fernzuhalten.
- Hinzu kommt, dass der KI Avatar – trotz Annahme einer "Pseudoidentität" des Verstorbenen – autonome Entscheidungen trifft, mithin gerade nicht 1 zu 1 deckungsgleich mit der Entscheidungsfindung durch den verstorbenen Gesellschafter ist. Auch Manipulationen der Software sind nicht ausgeschlossen.
Fazit: Insofern dürfte eine dauerhaft unmittelbare satzungsmäßige Delegation des Stimmrechts auf einen KI-Avatar – wie im Ausgangsbeispiel geschildert – nicht wirksam umsetzbar sein.