Nach Ansicht des BFH sei von einem subjektiven Verschulden auszugehen (BFH v. 12.5.1989 – III R 200/85, BStBl. II 1989, 920 [921]; v. 10.2.2015 – IX R 18/14, BStBl. II 2017, 7 = AO-StB 2015, 223), weshalb es auf die persönlichen Umstände, Fähigkeiten und Kenntnisse des Steuerpflichtigen bei der Beurteilung des Verschuldens ankomme. Eine Begründung für die Auslegung hinsichtlich des subjektiven Verschuldungsprinzips gibt der Bundesfinanzhof nicht (so auch Friedl, DStR 1991, 1616 [1616]).
Grobes Verschulden: Unter grobes Verschulden sind Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu fassen (BFH v. 3.2.1983 – IV R 153/80, BStBl. II 1983, 324; v. 10.2.2015 – IX R 18/14, BStBl. II 2017, 7 = AO-StB 2015, 223; AEAO zu § 173 Tz. 5.1. S. 2; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 173 AO Rz. 74; Rüsken in Klein, AO, 15. Aufl., § 173 Rz. 112; von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler <HHSp>, AO/FGO, § 173 AO Rz. 274; von Wedelstädt in Gosch, AO/FGO § 173 AO Rz. 85). Vorsatz liegt nach dieser Ansicht bei einer gewollten oder zumindest billigend in Kauf genommenen Verletzung einer dem Steuerpflichtigen bekannten Mitwirkungspflicht vor (Koenig in Koenig AO, 4. Aufl., § 173 AO Rz. 111; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 173 AO Rz. 74; von Wedelstädt in Gosch, AO/FGO, § 173 AO Rz. 85). Grobe Fahrlässigkeit hingegen ist nach dieser Ansicht anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt (BFH v. 3.2.1983 – IV R 153/80, BStBl. II 1983, 324; v. 10.2.2015 – IX R 18/14, BStBl. II 2017, 7 = AO-StB 2015, 223; AEAO zu § 173 Tz. 5.1. S. 3; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 173 AO Rz. 76 lit. a; Koenig in Koenig AO, 4. Aufl., § 173 AO Rz. 111; Rüsken in Klein, AO, 15. Aufl., § 173 Rz. 112; von Wedelstädt in Gosch, AO/FGO, § 173 AO Rz. 85). Dabei sei – diesem Ansatz der subjektiven Vorwerfbarkeit folgend – von den Gegebenheiten des Einzelfalls und den individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten des einzelnen Steuerpflichtigen auszugehen (BFH v. 3.2.1983 – IV R 153/80, BStBl. II 1983, 324; v. 29.6.1984 – VI R 181/80, BStBl. II 1984, 693; AEAO zu § 173 Tz. 5.1.1. S. 1). Entsprechend dem Verschuldensprinzip seien daher die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen (BFH v. 3.2.1983 – IV R 153/80, BStBl. II 1983, 324; v. 8.2.2017 – X B 80/16, BFH/NV 2017, 760) und daraus ein individueller Beurteilungsmaßstab für den Verschuldungsgrad abzuleiten. Nach ständiger Rechtsprechung sei daher stets zu prüfen, ob der Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit sowie die aus ihm abzuleitenden Sorgfaltspflichten richtig erkannt worden sind und ob die Würdigung der Umstände hinsichtlich des individuellen Verschuldens den Denkgesetzen und Erfahrungssätzen entspricht (BFH v. 3.2.1983 – IV R 153/80, BStBl. II 1983, 324; v. 10.2.2015 – IX R 18/14, BStBl. II 2017, 7 = AO-StB 2015, 223).
Sorgfaltspflichtverletzung in ungewöhnlich hohem Maße: Der durch das Attribut "grob" beschriebene gesetzliche Haftungsrahmen wird dabei als ungewöhnlich hohes Maß an Sorgfaltspflichtverletzung verstanden. Demnach läge eine Verletzung einer solchen Pflicht, zu der der Steuerpflichtige unter Berücksichtigung seiner persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verpflichtet ist, vor, wenn die Pflicht in besonders schwerem Maß verletzt wird (BFH v. 12.5.1989 – III R 200/85, BStBl. II 1989, 920, [922]; v. 9.5.2012 – I R 73/10, BStBl. II 2013, 566; vgl. hierzu Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 173 AO Rz. 76 lit. a.). Hierzu zähle auch, wenn der Steuerpflichtige nicht beachtet, was jedem hätte einleuchten müssen (FG Nürnberg v. 25.4.1978 – V 145/77, EFG 1978, 526; vgl. hierzu Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 173 AO Rz. 76 lit. a; von Groll in HHSp, § 173 AO Rz. 275; von Wedelstädt in Gosch, AO/FGO, § 173 AO Rz. 85) oder wenn er naheliegendste und einfachste Überlegungen nicht anstellt (so auch von Groll in HHSp, § 173 AO Rz. 275; von Wedelstädt in Gosch, AO/FGO, § 173 AO Rz. 85).
Beispielsfälle: Als Fälle, in denen grobes Verschulden nach st. Rspr. angenommen werden, kommen insb.
- die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen nach erfolgloser Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung (BFH v. 28.3.1985 – IV R 159/82, BStBl. II 1986, 120; v. 16.9.2004 – IV R 62/02, BStBl. II 2005, 75 = AO-StB 2005, 5; Rüsken in Klein, AO, 15. Aufl., § 173 AO Rz. 118; von Groll in HHSp, § 173 AO Rz. 280),
- die Abgabe einer inhaltlich falschen oder unvollständigen Steuererklärung (BFH v. 30.10.1986 – III R 163/82, BStBl. II 1987, 161; v. 10.2.2015 – IX R 18/14, BStBl. II 2017, 7; vgl. hierzu Günther, AO-StB 2015, 223 (224); Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 173 AO Rz. 76 lit. a; Rüsken in Klein, AO, 15. Aufl., § 173 AO Rz. 113; von Groll in HHSp, § 173 AO Rz. 280; von Wedelstädt in Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 1. Aufl., § 173 AO Rz. 85), die Verletzung der gesetzlichen Buchführungspflicht (BFH v. 24.10.1985 – IV R 75/84, BStBl. II 1986, 233; AEAO zu § 173 Tz. 5.1.2; so auch Koenig in Koenig AO,...