Der IV. Senat hatte in seinem Vorlagebeschluß vom 9. 7. 1992, IV R 136/90 (BStBl 1992 II S. 948) bei dem Großen Senat angefragt, ob der Steuerpflichtige (Arzt) den auf den Anteil der Ehefrau entfallenden Aufwand als sog. Drittaufwand berücksichtigen könne. Diese Frage blieb unbeantwortet. Denn der Arzt hatte nach Auffassung des Großen Senats Eigenaufwand getätigt. Hierüber mag man enttäuscht sein. In anderer Hinsicht schreitet die Entscheidung des Großen Senats indessen mutig in dogmatisches Neuland.
Aus dem Nettoprinzip als einem systembildenden Obersatz des Einkommensteuerrechts leitet der Große Senat her, daß alle „erwerbssichernden Aufwendungen”, auch wenn sie „auf in fremdem Eigentum stehende Wirtschaftsgüter erbracht werden”, von den steuerpflichtigen Einnahmen abgezogen werden können. Verblüffend an dieser erstmals so konsequent formulierten These ist, daß sie die AfA -Berechtigung des Vorbehaltsnießbrauchers rechtfertigt, für die bisher keine überzeugende Rechtsgrundlage erkennbar war ( Nießbrauch ) . Der Große Senat befaßt sich ausdrücklich nur mit dem Betriebsausgabenabzug. Er deutet jedoch verschiedentlich an, daß seine Ausführungen auch für den Werbungskostenabzug gelten. Eine unentgeltliche Überlassung erscheint nur zwischen nahen Angehörigen denkbar (Eheleute, Eltern, Kinder , Unentgeltliche Wohnungsüberlassung ). Was für das Miteigentum gesagt ist, gilt auch für Volleigentum der Ehefrau.
Gestattet diese dem Ehemann (Betriebsinhaber) die unentgeltliche Nutzung eines ihr gänzlich gehörenden Grundstücks und errichtet er darauf auf seine Kosten aus betrieblichem Anlaß ein Gebäude, ist das Gesamtgebäude wie ein materielles Wirtschaftsgut zu behandeln. Für die Gestattung der Nutzung durch den Ehegatten spricht nach Auffassung des Großen Senats eine „tatsächliche Vermutung”, so daß sie nicht wegen fehlender oder unzulänglicher Abmachungen zwischen den Eheleuten scheitern dürfte.
An anderer Stelle zeigen sich Schwierigkeiten. Welche Folgerungen ergeben sich für den nicht abgeschriebenen Restaufwand , wenn die Eheleute zu einem Mietvertrag übergehen? Ist der Restposten gewinnmindernd abzuschreiben oder die Abschreibung durch eine Entnahme zu neutralisieren? Vor allem ist die bilanzrechtliche Behandlung ungeklärt. Die Äußerung des Großen Senats, der Aufwand werde „lediglich aus bilanztechnischen Gründen „wie ein materielles Wirtschaftsgut behandelt”, läßt alles offen. Die Handelsbilanz kennt einen derartigen Posten bisher nicht, wenn man nicht in der Position „Bauten auf fremden Grundstücken” ( § 266 Abs. 2 A II 1 HGB ) eine Andeutung dessen sehen will, was dem Großen Senat vorschwebt. Seine Vorstellung scheint aber eher in die Richtung eines Verrechnungspostens zu gehen; ein solcher Verrechnungsposten ist indessen weder in der Handels- noch in der Steuerbilanz vorgesehen und insbesondere nicht als aktive Rechnungsabgrenzung zu begreifen. Sollte der Große Senat einen auf die Steuerbilanz beschränkten Verrechnungsposten meinen, fragt sich, wie dies mit dem Maßgeblichkeitsgrundsatz ( § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG ) zu vereinbaren ist.
Hinweis:
Die Verwaltung hat mittlerweile in einem BMF-Schreiben zum Drittaufwand Stellung genommen. Wg. weiterer Einzelheiten vergleiche Drittaufwand .