Leitsatz
Das BMF wird aufgefordert, dem Verfahren beizutreten. Der Streitfall betrifft die Frage, ob ein GrSt-Erlass gem. § 33 Abs. 1 GrStG nur bei atypischen und vorübergehenden Ertragsminderungen in Betracht kommt oder auch strukturell bedingte Ertragsminderungen von nicht nur vorübergehender Natur erfassen kann.
Normenkette
§ 33 Abs. 1 GrStG, § 79 Abs. 1 und 2 BewG
Sachverhalt
Das 1994 errichtete Bürogebäude der Klägerin ließ sich nur schwer vermieten. Ein Teil der Räume stand leer; ein anderer Teil konnte nur erheblich unterhalb der üblichen Miete vermietet werden. Die Räume, die vom Leerstand oder der verbilligten Miete betroffen waren, wechselten. Die Klägerin beantragte für 1998 einen GrSt-Erlass nach § 33 Abs. 1 Sätze 1 und 3 Nr. 2 GrStG i.V.m. § 79 BewG. Die Berechnung der Ertragsminderung hatte sie für sämtliche Räume anhand der üblichen Miete vorgenommen.
Nach erfolgloser Klage und Zulassung der Revision durch den BFH erging die vorliegende Beitrittsaufforderung an den Bundesfinanzminister.
Entscheidung
Die Rechtsprechung des BVerwG zu § 33 GrStG (Urteile vom 3.5.1991, 8 C 13.89, BStBl II 1992, 580 sowie vom 4.4.2001, 11 C 12.00, BStBl II 2002, 889) versagt in Fällen strukturell bedingter Ertragsminderungen von gewisser Dauer einen GrSt-Erlass und verweist die Grundstückseigentümer auf eine neue Hauptfeststellung, die aber zurzeit gesetzlich ausgesetzt ist. Deswegen empfehlen die Verwaltungsgerichte in derartigen Fällen, die Einheitswerte des Grundvermögens vor den FG anzugreifen und dort die Verfassungswidrigkeit der Aussetzung neuer Hauptfeststellungen geltend zu machen.
Es fragt sich aber, ob nicht erst die Auslegung des § 33 Abs. 1 GrStG durch das BVerwG dazu geführt hat, dass den Steuerpflichtigen – soweit überhaupt – nur durch eine neue Hauptfeststellung geholfen werden kann, und ob nicht bereits durch eine wortlautgerechte oder zumindest durch eine verfassungskonforme Auslegung des § 33 GrStG ein Ergebnis gefunden werden kann, bei dem es auf eine nächste Hauptfeststellung nicht ankommt. Beides ginge einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG vor.
Nach Lage der Dinge wird es der Anrufung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes bedürfen.
Hinweis
1. Die mit "Erlass ..." überschriebene Vorschrift des § 33 GrStG regelt in Wahrheit eine Steuerbefreiung, auf die bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Rechtsanspruch besteht. Da die GrSt, was das weitere Verfahren nach Ergehen der Steuermessbetragsbescheide anbelangt, in den Flächenstaaten nicht von Landesfinanzbehörden i.S.d. § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO, sondern von Gemeindebehörden verwaltet wird, ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet. Lediglich in den Stadtstaaten erfolgt die Verwaltung der GrSt in jenem Verfahrensstadium auch durch Landesfinanzbehörden. Bei dieser Gesetzeslage obliegt die Auslegung des § 33 GrStG schwerpunktmäßig dem BVerwG und nur ausnahmsweise dem BFH. Es versteht sich von selbst, dass der BFH unter diesen Umständen dem BVerwG – wenn möglich – den Vortritt lässt.
Das BVerwG hat allerdings den § 33 GrStG in einer Weise ausgelegt, die mit dem Abstellen auf die nächste Hauptfeststellung der Einheitswerte für inländischen Grundbesitz in den originären Zuständigkeitsbereich der FG ausstrahlt und dort zu Friktionen führt. Da die Hauptfeststellungen derzeit ausgesetzt sind, hilft den Steuerpflichtigen die Vertröstung auf die nächste Hauptfeststellung nicht weiter.
Diese Vertröstung ist nicht zwingend, sondern im Gegenteil überaus zweifelhaft. § 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GrStG verweist lediglich für das Tatbestandsmerkmal "normaler Rohertrag" auf die Jahresrohmiete i.S.d. § 79 BewG und auf nichts weiter, insbesondere nicht auf die Vorschriften der §§ 21 ff. BewG über die Ermittlung der Einheitswerte. Dagegen spricht bereits die Regelung, wonach der normale Rohertrag die Jahresrohmiete ist, die bei einer fingierten Hauptfeststellung auf den Beginn des (jährlichen) Erlasszeitraums maßgebend wäre. Damit ist nämlich die Erlassregelung aus der (ausgesetzten) Abfolge regelmäßiger Hauptfeststellungen herausgenommen und stattdessen zu Beginn eines jeden Erlasszeitraums eine auch die Wertverhältnisse erfassende eigenständige Basis gelegt.
Dies verträgt sich nicht mit einer Gesetzesauslegung, nach der solche Wertverhältnisse im Anwendungsbereich des § 33 GrStG unbeachtlich sein sollen. Im Übrigen wäre den Eigentümern leer stehender Räume auch mit einer neuen Hauptfeststellung nur wenig geholfen, weil die niedrigeren Wertverhältnisse zwar dämpfend auf die übliche Miete wirkten, aber einen völligen Einnahmeausfall unberücksichtigt ließen.
2. Die Verweisung des § 33 GrStG auf § 79 BewG bedeutet nicht, dass stets die übliche Miete als Bezugsgröße heranzuziehen ist, an der die Ertragsminderung zu messen ist. Bei Räumen, die nicht leer stehen, sondern – wenn auch mehr oder weniger verbilligt – vermietet werden konnten, bildet diese tatsächlich vereinbarte Miete nach § 79 Abs. 1 Satz 1 BewG die Bezugsgröße, solange diese Miete nicht um mehr ...