Sachverhalt
Bei dem Vorabentscheidungsersuchen des BFH vom 3.11.2022 ging es um den sog. Direktanspruch in der Umsatzsteuer.
Der BFH fragte den EuGH:
1. Steht einem Leistungsempfänger mit Ansässigkeit im Inland ein sog. Direktanspruch gegen die inländische Finanzverwaltung entsprechend dem EuGH-Urteil Reemtsma Cigarettenfabriken vom 15.3.2007 - C-35/05 (EU:C:2007:167) zu, wenn
(a) dem Leistungsempfänger von einem Leistenden, der gleichfalls im Inland ansässig ist, eine Rechnung mit inländischem Steuerausweis erteilt wird, die der Leistungsempfänger bezahlt, wobei der Leistende die in der Rechnung ausgewiesene Steuer ordnungsgemäß versteuert,
(b) es sich bei der in Rechnung gestellten Leistung aber um eine in einem anderen Mitgliedstaat erbrachte Leistung handelt,
(c) dem Leistungsempfänger daher der Vorsteuerabzug im Inland versagt wird, da es an einer im Inland gesetzlich geschuldeten Steuer fehlt,
(d) der Leistende die Rechnung daraufhin dahingehend berichtigt, dass der inländische Steuerausweis entfällt und sich der Rechnungsbetrag daher i. H. des Steuerausweises mindert,
(e) der Leistungsempfänger aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Leistenden Zahlungsansprüche gegen den Leistenden nicht durchsetzen kann und
(f) für den im anderen Mitgliedstaat bislang nicht registrierten Leistenden die Möglichkeit besteht, sich in diesem Mitgliedstaat mehrwertsteuerrechtlich registrieren zu lassen, so dass er danach unter Angabe einer Steuernummer dieses Mitgliedstaats dem Leistungsempfänger eine Rechnung unter Ausweis der Steuer dieses Mitgliedstaats erteilen könnte, die den Leistungsempfänger in diesem Mitgliedstaat zum Vorsteuerabzug im besonderen Verfahren nach der Richtlinie 2008/9/EG zum Vorsteuerabzug berechtigen würde?
2. Kommt es für die Beantwortung dieser Frage darauf an, dass die inländische Finanzverwaltung dem Leistenden aufgrund der bloßen Rechnungsberichtigung die Steuerzahlung erstattet hat, obwohl der Leistende aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen nichts an den Leistungsempfänger zurückgezahlt hat?
Die Beteiligten stritten über einen Vorsteuerabzug im Wege einer Billigkeitsentscheidung nach §§ 163, 227 AO. Geschäftsgegenstand der Klägerin (KG) war das Mobilienleasing für andere Unternehmen u.a. durch sog. Sale-and-lease-back-Geschäfte. Im Streitfall ging es um insgesamt sechs Sale-and-lease-back Geschäfte, die die KG mit der ebenfalls im Inland ansässigen E-GmbH in den Streitjahren 2007, 2008, 2010 und 2012 getätigt hat. Dabei erwarb die E-GmbH zunächst jeweils ein neues Motorboot von der in Italien ansässigen E-sr. Die Rechnungen hierfür wurden ohne Ausweis von MwSt mit dem Hinweis auf eine innergemeinschaftliche Lieferung ("prestazione intracomunitaria") ausgestellt. Ausweislich der Rechnungen wurde der Kaufpreis in voller Höhe von der E-GmbH entrichtet. Jeweils einige Tage später schlossen die E-GmbH und die KG einen "Kauf- und Übereignungsvertrag" ab. Darin verkaufte die E-GmbH das jeweilige Boot an die KG zum identischen Nettokaufpreis zuzüglich inländischer (deutscher) USt. Die KG zahlte den Kaufpreis an die E-GmbH. Die Übergabe des Bootes wurde nach dem Kaufvertrag jeweils durch die Vereinbarung des Abschlusses eines Leasingvertrages mit Nutzungsüberlassung ersetzt. Im Kaufvertrag wurden die Parteien bereits als "Leasinggeber" und "Leasingnehmer" bezeichnet. Die E-GmbH erteilte der KG anschließend Rechnungen über den Verkauf des jeweiligen Bootes mit offen ausgewiesener USt, meldete die inländische USt in ihren Steuererklärungen an und führte sie an das für sie zuständige Finanzamt ab. Die Rechnungen enthielten keine Angaben zum Ort, an dem sich die Boote befanden. Die KG zog die in der Rechnung ausgewiesene inländische (deutsche) USt in ihren Umsatzsteuererklärungen als Vorsteuer ab. Einige Tage danach schlossen die E-GmbH und die KG einen Mobilienleasingvertrag über das jeweilige Boot mit einer Laufzeit von 36 Monaten und einer monatlichen Leasingrate.
Im Rahmen einer bei der E-GmbH durchgeführten Außenprüfung für den Besteuerungszeitraum 2008 wurde festgestellt, dass sich die Boote im Zeitpunkt des Verkaufs von der E-GmbH an die KG nicht im Inland (in Deutschland), sondern in Italien am Y-See befanden. Mit zwei Schreiben teilte die E-GmbH der KG daraufhin mit, dass sie in zwei Rechnungen zu Unrecht inländische (deutsche) USt ausgewiesen habe. Die Rechnungen würden wie folgt berichtigt: "Der Rechnungsbetrag beträgt absprachegemäß pauschal ... EUR In dem Rechnungsbetrag ist entgegen der ursprünglichen Rechnung ... keine deutsche Umsatzsteuer enthalten. Den Rechnungsbetrag haben wir bereits vollständig von Ihnen erhalten."
Nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei der KG vertrat das Finanzamt die Auffassung, die Lieferung der Boote sei in Deutschland nicht steuerbar gewesen, da es sich um Lieferungen ohne Beförderung gehandelt habe, die nach Art. 31 MwStSystRL, § 3 Abs. 7 UStG am Belegenheitsort der Boote, d. h. in Italien, steuerbar seien. Di...