Grundsätze ordnungsmäßiger Buchhaltung in elektronischer ... / 3.2 Merkmale von elektronischer und klassischer Buchhaltung

Jedes Buchführungssystem – ob klassisch oder elektronisch – muss die geforderten "klassischen" Merkmale für die gesamte Dauer der Aufbewahrungsfrist erfüllen.

Merkmale dieser Art sind:^[1]

• Nachprüfbarkeit und Nachvollziehbarkeit
• Wahrheit, Klarheit und fortlaufende Aufzeichnungen
• Ordnung
• Vollständigkeit
• Einzelaufzeichnungspflicht
• Richtigkeit
• Zeitgerechte Buchungen und Aufzeichnungen
• Unveränderbarkeit

Wirtschaftlichkeitserwägungen rechtfertigen es nicht, dass die Grundprinzipien der Ordnungsmäßigkeit verletzt und damit der Buchhaltungszweck erheblich gefährdet wird.^[2] Die damit verbundenen Kosten sind vom Unternehmer ebenso aufzubringen wie alle anderen Aufwendungen auch, die der Betrieb mit sich bringt.^[3]

[1] BMF, Schreiben v. 28.11.2019, IV A 4 – S 0316/19/10003 :001, Rn. 26.

[2] BMF, Schreiben v. 28.11.2019, IV A 4 – S 0316/19/10003 :001, Rn. 29.

[3] BMF, Schreiben v. 28.11.2019, IV A 4 – S 0316/19/10003 :001, Rn. 29.

3.2.1 Nachprüfbarkeit und Nachvollziehbarkeit

Verarbeitung muss leicht verfolgt werden können

Der Grundsatz der (leichten) Nachvollzieh- und Nachprüfbarkeit ergibt sich nicht nur aus dem steuerlichen Bereich, sondern auch aus dem Handels- und ggf. Berufsrecht. Nachvollziehbarkeit bedeutet, dass die Verarbeitung der einzelnen Geschäftsvorfälle mit dem dabei angewandten Buchhaltungssystem bzw. Aufzeichnungsverfahren relativ einfach verfolgt werden können muss. Jeder (Buchungs-) Vorgang muss durch einen Beleg nachgewiesen werden können.^[1] Insofern gilt auch hier der eherne Buchhaltergrundsatz "keine Buchung ohne Belege".

Leicht nachprüfbar heißt, dass die Aufzeichnungen so beschaffen sein müssen, dass sie einem sachverständigen Dritten innerhalb einer angemessenen Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle einerseits und über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens andererseits verschaffen können.^[2]

Die Entstehung und die Abwicklung eines Geschäftsvorfalls muss sich lückenlos, progressiv und retrograd überprüfen lassen,^[3] d. h. vom Beleg zur Buchung bzw. von der Buchung zum Beleg.^[4] Die progressive Prüfung eines Geschäftsvorfalls beginnt beim Beleg.^[5] Sie führt über die Grundaufzeichnungen (im Grundbuch) und das Journal zu den Buchhaltungskonten.^[6] Aus den Konten müssen die Entwicklung der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung und in deren weiterer Folge die Daten der Steueranmeldungen bzw. -erklärungen nachvollziehbar sein. Die retrograde Prüfung beginnt bei der Buchung bzw. beim Ansatz in der Bilanz bzw. Gewinn- und Verlustrechnung und endet beim Beleg.^[7]

Nachvollziehbarkeit gilt für die gesamte Aufbewahrungsdauer

Sowohl progressive als auch retrograde Prüfungen müssen für die gesamte Dauer der Aufbewahrungsfrist und für jeden einzelnen Verfahrensschritt möglich sein.^[8] Ebenso müssen sämtliche Verfahrensdokumentationen, die zum Verständnis der Buchführung bzw. der Aufzeichnungen notwendig sind, jederzeit aussagekräftig und einsehbar sein.^[9] Sie müssen sowohl die historischen als auch die aktuellen Verfahrensinhalte umfassen und der aktuell in der Praxis eingesetzten Version entsprechen.^[10] Neben diesen klassischen Aufzeichnungen müssen alle Unterlagen bereitgehalten werden und lesbar sein, die zum Verständnis der Aufzeichnungen notwendig sind.

[1] BMF, Schreiben v. 28.11.2019, IV A 4 – S 0316/19/10003 :001, Rn. 30.

[2] BMF, Schreiben v. 28.11.2019, IV A 4 – S 0316/19/10003 :001, Rn. 32.

[3] BMF, Schreiben v. 28.11.2019, IV A 4 – S 0316/19/10003 :001, Rn. 32.

[4] BMF, Schreiben v. 28.11.2019, IV A 4 – S 0316/19/10003 :001, Rn. 33.

[5] BMF, Schreiben v. 28.11.2019, IV A 4 – S 0316/19/10003 :001, Rn. 33.

[6] BMF, Schreiben v. 28.11.2019, IV A 4 – S 0316/19/10003 :001, Rn. 33.

[7] BMF, Schreiben v. 28.11.2019, IV A 4 – S 0316/19/10003 :001, Rn. 33.

[8] BMF, Schreiben v. 28.11.2019, IV A 4 – S 0316/19/10003 :001, Rn. 35.

[9] BMF, Schreiben v. 28.11.2019, IV A 4 – S 0316/19/10003 :001, Rn. 34.

[10] BMF, Schreiben v. 28.11.2019, IV A 4 – S 0316/19/10003 :001, Rn. 34.

3.2.2 Buchführungswahrheit: Tatsächliche und wahre Geschäftsvorfälle

Die aufgezeichneten Geschäftsvorfälle müssen den tatsächlichen und belegmäßigen Verhältnissen entsprechen.^[1] Sie müssen vollständig, vollzählig und lückenlos erfasst sein.^[2]

Grundsätzlich ist jeder Geschäftsvorfall einzeln zu erfassen. D.h. jede Betriebseinnahme und -ausgabe, jede Einlage und Entnahme muss einzeln erfasst werden, eine Zusammenfassung z. B. aller Entnahmen des Jahres ist nicht zulässig. Die Erfassung muss in einem Umfang erfolgen, der eine Überprüfung seiner Grundlagen, seines Inhalts und seiner Bedeutung für den Betrieb ermöglicht. Das bedeutet, dass nicht nur die in Geld bestehende Gegenleistung, sondern auch der Geschäftsinhalt und der Name des Geschäftspartners mit ausreichender Bezeichnung des Geschäftsvorfalls aufgezeichnet werden müssen. Dabei sind branchenspezifische Mindestaufzeichnungspflichten sowie Zumutbarkeitsgesichtspunkte zu berücksichtigen (vgl. auch Vollständigkeit).

Zu beachten ist bei alldem, dass die Zumutbarkeit durch gewisse Aufzeichnungserleichterungen nicht so weit führen darf, dass die Erfassung und Verarbeitung einzelner Geschäftsvorgän...