Leitsatz
1. Eine Stiftung kann mit bei ihr angestellten Diplompsychologen steuerfreie arztähnliche Leistungen i.S.v. § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG 1980 durch psychotherapeutische Behandlungen von Patienten in einer Ambulanz erbringen.
2. Die Steuerbefreiungen nach § 4 Nr. 14 UStG 1980 und § 4 Nr. 16 UStG 1980 schließen sich gegenseitig aus.
Normenkette
§ 4 Nr. 14, Nr. 16 UStG , Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und c der 6. EG-RL
Sachverhalt
Die Klägerin (gemeinnützige Stiftung) bezweckt die Förderung der klinischen Psychologie in Praxis und Forschung. Dafür unterhielt sie u.a. eine Ambulanz, in der Patienten im Namen der Klägerin von bei ihr angestellten Diplompsychologen – keine Ärzte, aber im Besitz einer Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz mit Fortbildung zum Psychotherapeuten – behandelt wurden.
FA und FG waren der Auffassung (allein) wegen der fehlenden ärztlichen Aufsicht seien die Leistungen der Klägerin nicht nach § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG steuerfrei.
Entscheidung
Der BFH gab der Klägerin Recht und setzte die Umsatzsteuer auf 0 DM fest. Den in den Praxis-Hinweisen aufgeführten Anforderungen entsprachen die Leistungen der Klägerin:
Unerheblich war die Rechtsform als Stiftung des privaten Rechts und deshalb auch, dass (nur) Angestellte der Stiftung die Leistungen erbracht haben. Die – offensichtlichen – Heilbehandlungen konnten als "arztähnliche" Leistungen auch von Diplompsychologen – Personen, die mit erforderlichen beruflichen Befähigungsnachweisen (Diplompsychologen mit facharztähnlicher Zusatzausbildung in Psychotherapie und der Zulassung als Heilpraktiker) – bewirkt werden.
Hinweis
Die Steuerbefreiungen für ärztliche und arztähnliche Heilbehandlungen in § 4 Nr. 14 und 16c UStG "beruhen" auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und c der 6. EG-RL. Beruhen heißt wie zu oft: Ungeachtet der Richtlinienregelung, die für die Mitgliedstaaten verbindlich sind, schleppt das deutsche Umsatzsteuerrecht mit ungeahnter Zähigkeit die alten Bestimmungen im Wortlaut fort, oft zum Nachteil des Steuerpflichtigen. Enthalten z.B. die innerstaatlichen Vorschriften über die Anerkennung einer "Einrichtung" – vgl. z.B. § 4 Nr. 16 UStG – Beschränkungen, die die Grenzen des den Mitgliedstaaten durch die genannte Bestimmung eingeräumten Ermessens überschreiten, muss das nationale Gericht anhand aller i.S.d. Richtlinie relevanten Gesichtspunkte ermitteln, ob ein Steuerpflichtiger gleichwohl als andere ordnungsgemäß anerkannte Einrichtung gleicher Art i.S.d. Bestimmung anzusehen ist. Auf eine günstigere Richtlinienregelung kann sich der Steuerpflichtige berufen!
Der BFH hatte dem EuGH mit Beschluss vom 14.12.2000, V R 54/98, (BFH-PR 2001, 110) Zweifelsfragen zur Auslegung des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und c der 6. EG-RL vorgelegt; der EuGH hat sie mit Urteil vom 6.11.2003, RS. C-45/01 (BFH-PR 2004, 69) beantwortet. Anhand dieser Grundsätze war nun die nationale Befreiungsvorschrift auszulegen.
Nach § 4 Nr. 14 UStG sind "die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Krankengymnast, Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes und aus der Tätigkeit als klinischer Chemiker" steuerfrei. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-RL behandelt als "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden".
Auch nach der Richtlinie ist danach eine berufliche Qualifikation nicht unverzichtbar, wie z.T. aus einer Entscheidung des BVerfG herausgelesen wird. Ein Indiz dafür, dass die Leistungen durch fachlich geeignete Personen erbracht worden sind, ist auch die Übernahme der Behandlungskosten durch die Träger der Sozialversicherung (vgl. BFH, Urteil vom 19.12.2002, V R 28/00, BFH-PR 2003, 231 und BMF vom 28.2.2000, BStBl I 2000, 433).
Zu beachten sind – auch das EuGH-Urteil vom 10.9.2002, Rs. C-141/00 – Ambulanter Pflegedienst Kügler GmbH –, BFH-PR 2003, 29) – folgende Grundsätze:
Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-RL (entspricht § 4 Nr. 14 UStG) bezweckt, die Kosten ärztlicher Heilbehandlung zu senken.
Die Befreiung umfasst nur Tätigkeiten, die zum Zweck der Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen bei Menschen vorgenommen werden.
Es muss sich um ärztliche oder arztähnliche Leistungen handeln und diese müssen von Personen erbracht werden, die die erforderlichen beruflichen Befähigungsnachweise besitzen.
Im Übrigen verbietet es der Grundsatz der steuerlichen Neutralität, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze bewirken, bei der Mehrwertsteuererhebung unterschiedlich (z.B. abhängig von der Rechtsform des Steuerpflichtigen) behandelt werden.
Zur Abgrenzung § 4 Nr. 14 und § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG ist zu beachten:
Wenn es sich somit um Leistungen außerhalb von Krankenhäusern handelt, ist (nur) Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-RL (entspricht § 4 Nr. 14 UStG 1980) anwendbar....