Leitsatz
1. Für die Wege eines Arbeitnehmers zwischen Wohnung und ständig wechselnden Tätigkeitsstätten ist die Entfernungspauschale nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG nicht anzusetzen.
2. Die Aufwendungen für solche Fahrten sind in der nachgewiesenen oder glaubhaft gemachten Höhe abziehbar.
3. Bei Sammelbeförderung durch den Arbeitgeber scheidet mangels Aufwands des Arbeitnehmers ein Werbungskostenabzug für diese Fahrten aus.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG
Sachverhalt
Der Kläger arbeitete als Maurerpolier an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten. Er wurde arbeitstäglich auf Kosten des Arbeitgebers zu Hause abgeholt und dorthin wieder zurückgebracht. Für das Streitjahr 2001 machte er die Entfernungspauschale für Fahrten zwischen der Wohnung und den Einsatzstellen geltend. Dem folgte das FA nicht.
Die Klage hatte nur insoweit Erfolg, als das FG die Entfernungspauschale für die Fahrten berücksichtigte, die der Kläger nach Ablauf von drei Monaten zu derselben Tätigkeitsstätte unternommen hatte.
Entscheidung
Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg. Die Kläger könnten die Entfernungspauschale nicht ansetzen. Bei Fahrten zu ständig wechselnden Tätigkeitsstätten seien die Aufwendungen in tatsächlicher Höhe als Werbungskosten abziehbar. Dem Kläger sei aber wegen der arbeitgeberseitigen Sammelbeförderung kein Aufwand entstanden. Ein Werbungskostenabzug für die bezeichneten Fahrten scheide deshalb aus.
Da nur der Kläger Revision eingelegt hatte, war nicht darüber zu entscheiden, ob dem Kläger zu Recht Aufwendungen nach Ablauf von drei Monaten als Werbungskosten anerkannt worden waren. Dies wäre zu verneinen gewesen. Denn eine (wechselnde) Tätigkeitsstätte wird – entgegen der Auffassung der Verwaltung – allein durch Zeitablauf von drei Monaten nicht zur regelmäßigen Arbeitsstätte mit der Folge, dass dann die Entfernungspauschale nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG anzuerkennen wäre.
Hinweis
1. In mehreren Entscheidungen hat der VI. Senat seine Rechtsprechung zur Behandlung von Fahrtkosten, Übernachtungskosten sowie Verpflegungsmehraufwendungen bei Auswärtstätigkeit geändert.
2. Auf Anregung des BFH hatte der Gesetzgeber im Jahressteuergesetz (JStG) 1996 das steuerliche Reisekostenrecht einer Neuregelung zugeführt. Der Gesetzgeber beschränkte sich allerdings im Wesentlichen auf die Regelung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 (Verpflegungsmehraufwendungen). Hinzu kam ab 2001 die – mehrfach geänderte – Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG über die Entfernungspauschale (nebst Sammelbeförderung) und ihre Anwendung bei einer doppelten Haushaltsführung (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG).
3. Die Übertragung der bisherigen Rechtsprechung (mit Wahlrechten etc.) auf die Rechtslage ab 1996 hatte zu einem kaum noch zu überschauenden Rechtszustand geführt. Verstärkt wurde dies durch Einführung der kostenunabhängigen Entfernungspauschale (verbunden mit der Sammelbeförderung). Dies war mit dem verfassungsrechtlich gebotenen Grundsatz der Vorhersehbarkeit der steuerlichen Belastung kaum noch vereinbar.
4. Mit den vorliegenden Grundsatzentscheidungen dürfte dem BFH ein wesentlicher Beitrag zur Steuervereinfachung gelungen sein.
Im Wesentlichen sind folgende Punkte wichtig:
(1) Der Begriff der (regelmäßigen) Arbeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG wurde neu definiert. Es kommt nicht mehr auf die dortige Arbeitsleistung an. Entscheidend ist, dass (z.B.) der Betrieb immer wieder (nachhaltig) aufgesucht, angefahren (etc.) wird (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 11.5.2005, VI R 25/04, )BFH-PR 2005, 401. Der Begriff der regelmäßigen Arbeitsstätte entspricht bei den Verpflegungsmehraufwendungen dem Begriff des "Mittelpunkts der dauerhaft angelegten betrieblichen/beruflichen Tätigkeit" (Tätigkeitsmittelpunkt) i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 (i.V.m. § 9 Abs. 5) EStG.
Die Beurteilung von Fahrtkosten und Verpflegungsmehraufwendungen bei vorübergehenden Auswärtstätigkeiten erfolgt demnach im Wesentlichen nach denselben Kriterien.
(2) Zur Vermeidung gleichheitswidriger Differenzierungen werden alle Auswärtstätigkeiten grundsätzlich gleich behandelt. Ein "Gefälle" (z.B. bezüglich der Abwesenheitszeiten) zwischen einer "Tätigkeit an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten" (sog. Einsatzwechseltätigkeit) und der klassischen "Dienstreise" besteht nach der neuen Rechtsprechung nicht mehr. "Berührt" ein Arbeitnehmer, wenn auch nur kurz (z.B.) den Betrieb, so werden die Abwesenheitszeiten ab dort gerechnet. Ab der Wohnung wird nur gerechnet, wenn der Betrieb oder andere betriebliche Einrichtungen (als regelmäßige Arbeitsstätte) nicht "berührt" werden.
(3) Der BFH hat sich auch sprachlich eng an das Gesetz angelehnt. Die herkömmlichen Begriffe der "Dienstreise" bzw. der "Einsatzwechseltätigkeit" wurden – wenn überhaupt – eher plakativ verwendet. Aufgrund der (weitgehenden) Gleichbehandlung aller Auswärtstätigkeiten haben die unterschiedlichen Formen (zumindest) erheblich an Bedeutung verloren.
(4) Der Begriff der doppelten Haushaltsführung wurde auf seinen Kern...