OFD Karlsruhe, Verfügung v. 26.4.2012, G 1102/11 - St 344
Zur Frage, ob die in einem ansonsten nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 GrStG steuerbefreiten Wohnheim eingerichteten Wohnbereiche der Grundsteuer zu unterwerfen sind, bitte ich Folgendes zu beachten:
Dient Grundbesitz, der für steuerbegünstigte Zwecke benutzt wird, zugleich Wohnzwecken, gilt die Befreiung für Wohnräume, wenn der steuerbegünstigte Zweck nach § 3 Abs. 1 Nr. 1, 3 oder 4 GrStG nur durch ihre Überlassung erreicht werden kann (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 GrStG). Hieraus folgt, dass Räume, die objektiv als Wohnung zu beurteilen sind, ihre Eigenschaft nicht dadurch verlieren, dass ihre Überlassung zu Wohnzwecken im Rahmen einer pflegerischen bzw. therapeutischen Gesamtkonzeption erfolgt (BFH-Urteil vom 11.4.2006, II R 77/04, BFH/NV 2006 S. 1707).
Bewertungsrechtlicher Wohnungsbegriff
Der Begriff der Wohnung i.S. des § 5 Abs. 2 GrStG knüpft an den bewertungsrechtlichen Wohnungsbegriff an. Danach ist unter Wohnung die Zusammenfassung einer Mehrheit von Räumen zu verstehen, die in ihrer Gesamtheit so beschaffen sein müssen, dass sie die Führung eines selbständigen Haushalts auf Dauer ermöglichen. Hierzu ist es erforderlich, dass die für die Führung eines selbständigen Haushalts notwendigen Einrichtungen wie Küche oder ein Raum mit Kochgelegenheit, Bad oder Dusche und Toilette vorhanden und – für Bewertungsstichtage ab 1.1.1974 – die als Wohnung in Betracht kommenden Räumlichkeiten gegenüber anderen Wohnungen oder Räumen baulich getrennt sind und somit eine in sich geschlossene Wohneinheit mit eigenem Zugang bilden.
Bestimmte Mindestfläche
Außerdem müssen die zu einer Wohneinheit zusammengefassten Räume eine bestimmte Mindestwohnfläche aufweisen.
Ist die Führung eines selbständigen Haushalts in einer solchen in sich abgeschlossenen Wohneinheit objektiv möglich, ist diese Einheit auch dann als Wohnung zu beurteilen, wenn sie baulich nicht auf die typischen Bedürfnisse einer Familie zugeschnitten ist oder mehrere Bewohner darin tatsächlich keinen gemeinsamen Haushalt führen.
20m² Mindestfläche in Studentenwohnheimen
Zu der Frage, welche Mindestwohnfläche für die Annahme einer Wohnung in einem Studentenwohnheim erforderlich ist, haben die für bewertungsabhängige Steuern und Verkehrssteuern zuständigen Vertreter der obersten Finanzbehörden der Länder anlässlich ihrer Sitzung vom 13. bis 15.3.2012 (TOP I/6, Bew I/12) beschlossen, für Zwecke der Einheitsbewertung und Grundsteuer die Entscheidung des BFH vom 17.5.1990, II R 182/87 (BStBl 1990 II S. 705) auch weiterhin anzuwenden. Danach ist für die Annahme einer Wohnung i.S. des § 5 Abs. 2 GrStG eine Wohnfläche von mindestens 20m² erforderlich. Zur Mindestgröße einer Wohnung im Bewertungs- und Grundsteuerrecht vergleiche auch Bew-Kartei zu § 75 BewG Karte 15.
Die mit dem Erbschaftsteuerreformgesetz – ErbStRG vom 24.12.2008 (BGBl 2008 I S. 3018) in § 181 Abs. 9 Satz 4 BewG aufgenommene Regelung, wonach Wohnflächen mindestens 23m² betragen müssen, betrifft den Wohnungsbegriff – entsprechend der Überschrift des sechsten Abschnitts des Bewertungsgesetzes – nur für eine Bewertung zu Zwecken der Erbschaftsteuer ab dem 1.1.2009 und ist somit auf die Bewertung von Alten- und Studentenwohnheime für Grundsteuerzwecken nicht übertragbar.
Rechtsprechung
Grundsätzlich ist die Frage des Vorliegens einer Wohnung im steuerrechtlichen Sinn anhand der örtlichen Gegebenheiten zu beurteilen. Auf die in der Anlage angeführte Rechtsprechung, die ggf. bei Studentenwohnheimen zu prüfen ist, wird verwiesen.
Gegebenenfalls ist eine Fehlerfortschreibung nach § 22 Abs. 3 BewG durchzuführen.
Anlage
Ergangene BFH-Entscheidungen in chronologischer Reihenfolge
BFH vom 5.10.1984, Az. III R 192/83, BStBl 1985 II S. 151
Leitsatz:
Für die Beurteilung der Frage, ob die Zusammenfassung einer Mehrheit von Räumen den bewertungsrechtlichen Wohnungsbegriff erfüllt, ist jedenfalls für Stichtage ab 1.1.1974 wesentlich, dass diese Zusammenfassung von Räumen eine von anderen Wohnungen oder Räumen, insbesondere Wohnräumen, baulich getrennte, in sich abgeschlossene Wohneinheit bildet. Grundsätzlich müssen die Räume Wohnzwecken dienen oder zu dienen bestimmt sein. Es muss ein eigener Zugang bestehen. Darüber hinaus müssen die Räume eine bestimmte Mindestfläche aufweisen. Außerdem ist grundsätzlich erforderlich, dass die für die Führung eines selbständigen Haushalts notwendigen Nebenräume wie Küche, zumindest ein Raum mit Kochgelegenheit, ein Bad oder eine Dusche und eine Toilette vorhanden sind.
BFH vom 20.6.1985, Az. III R 71/83, BStBl 1985 II S. 582
Leitsatz:
1. Der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung (Urteil vom 24.11.1978, III R 81/76, BFHE 126 S. 565, BStBl 1979 II S. 255) fest, wonach eine Mehrheit von Räumen jedenfalls dann nicht als Wohnung i.S. des § 75 Abs. 5 und 6 BewG angesehen werden kann, wenn die Gesamtfläche weniger als 23 qm beträgt.
BFH vom 11.2.1987, Az. II R 210/83, BStBl 1987 II S. 306
Leitsatz:
Kleinstappart...