Folgen und Haftungsrisiken
[Ohne Titel]
Dr. Martin Lohr, Notar
Können die Gesellschafter die Eintragung der GmbH bei einem Grundstückserwerb nicht abwarten, muss der Vertragsabschluss durch die Vor-GmbH erfolgen. Dies wirft Fragen auf bezüglich der Darlegung der Existenz der Erwerbergesellschaft und deren Vertretungsverhältnisse gegenüber dem Grundbuchamt. Auch kann der Erwerb zu Haftungsrisiken für Gesellschafter und Geschäftsführer (GF) führen. Der Beitrag gibt einen kurzen Überblick über diese Themen und schließt mit einem Formulierungsvorschlag ab.
1. Die Vor-GmbH im Rechtsverkehr
Die GmbH entsteht als solche erst mit ihrer Eintragung in das Handelsregister (§ 11 Abs. 1 GmbHG). Zwischen
- der wirksamen Beurkundung des Gründungsprotokolls und
- der Eintragung
besteht eine Vorgesellschaft ("Vor-GmbH"), für die weitgehend das GmbH-Recht gilt und die umfassend am Rechtsverkehr teilnehmen kann (dies gilt auch bei der Einpersonen-Gesellschaft, vgl. zur umstrittenen dogmatischen Einordnung der Einpersonen-GmbH vor Eintragung: Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl. 2021, § 11 Rz. 38 m.w.N.).
Mit Eintragung der GmbH gehen alle Rechte und Pflichten automatisch auf die GmbH über (BGH v. 15.4.2021 – III ZR 139/20, GmbHR 2021, 813 = GmbH-StB 2021, 244 [Podewils]; BGH v. 7.5.1984 – II ZR 276/83, BGHZ 91, 148 [151]); eine Übertragung der Vermögenswerte ist nicht notwendig.
Demzufolge ist auch bei einem Grundstückserwerb durch die Vor-GmbH keine erneute Auflassung erforderlich; vielmehr wird das Grundbuch nur bezüglich der Bezeichnung der Eigentümerin unter Vorlage des Handelsregisterauszugs berichtigt (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rz. 988, s. auch die Ausführungen dort unter Rz. 990 zu den damit verbundenen grundbuchtechnischen Fragen). Auch steuerlich sind Vor-GmbH und GmbH ein Rechtsgebilde (zur Einheitstheorie: Protz/Krome im Beck’schen Handbuch der GmbH, 6. Aufl. 2021, § 2 Rz. 19, demzufolge liegt auch kein grunderwerbsteuerpflichtiger Rechtsträgerwechsel vor, wenn das Grundbuch auf die eingetragene Gesellschaft berichtigt wird).
2. Abgrenzung zur Vorgründungsgesellschaft
Anders sieht es aus, wenn der Abschluss durch eine Personenvereinigung erfolgt, bei der die Beurkundung der Gründung noch nicht erfolgt ist, die jedoch schon geschäftliche Aktivitäten im Hinblick auf ihre spätere Gründung entfaltet (sog. Vorgründungsgesellschaft). Bei einer Zwei – oder Mehrpersonengesellschaft handelt es sich um eine GbR oder – bei dem Betrieb eines Handelsgewerbes – um eine OHG (BGH v. 26.4.2004 – II ZR 120/02, DB 2004, 1359; Wicke, GmbHG, 4. Aufl. 2020, § 11 Rz. 2).
Spätere Auflassung auf Vor-GmbH notwendig: Ein automatischer Rechtsübergang auf die Vor-GmbH erfolgt nicht mit der Folge, dass bei einem Grundstückserwerb durch die Vorgründungsgesellschaft eine spätere Auflassung auf die Vor-GmbH notwendig ist (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rz. 994). Beachten Sie: Wird ein Vertrag unter der aufschiebenden Bedingung der Gründung der GmbH geschlossen, kann die Auslegung ergeben, dass nicht die Vorgründungsgesellschaft, sondern die noch zu gründende GmbH verpflichtet werden soll (hierzu BGH v. 15.4.2021 – III ZR 139/20, GmbHR 2021, 813 = GmbH-StB 2021, 244 [Podewils]), mit der Folge, dass eine Nachgenehmigung nach § 177 Abs. 1 BGB nach Gründung der GmbH erfolgen muss (s. demgegenüber zur Haftung des Handelnden nach § 179 Abs. 1 BGB, der ohne eine solche Offenlegung im Namen der GmbH oder GmbH i.G. auftritt: Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl. 2021, § 11 Rz. 3 m.w.N.).
3. Vertretungsberechtigung der GF vor der Eintragung
Die Frage, ob die Vertretungsregelung des § 37 Abs. 2 GmbHG auch im Vorstadium der GmbH i.G. gilt, ist umstritten (hierzu Protz/Krome im Beck’schen Handbuch der GmbH, 6. Aufl. 2021, § 2 Rz. 17 mit Nachweisen zum Meinungsstand).
Nach überwiegender Auffassung kann der GF ohne Ermächtigung durch die Gesellschafter nur die Geschäfte tätigen, die zur Entstehung und Eintragung der Gesellschaft notwendig sind; die Vertretungsberechtigung wird somit durch den Zweck der Vor-GmbH begrenzt (Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl. 2021, § 11 Rz. 17 m.w.N., auch zur Mindermeinung). Demzufolge ist die Vertretungsberechtigung bei dem Grundstückserwerb durch die Vor-GmbH (Beachten Sie: sofern es sich nicht um die Erfüllung einer Sacheinlage oder eines statuarischen Sachagios handelt, da diese Vorgänge gründungstechnisch notwendig sind) gegenüber dem Grundbuchamt in öffentlich-beglaubigter Form (§ 29 GBO) nachzuweisen:
- entweder durch Mitwirkung aller Gesellschafter an dem Grundstückskauf
- oder durch vorherige Ermächtigung im notariellen Gründungsprotokoll, oder
- durch gesonderte Zustimmungserklärung, die im Hinblick auf § 29 GBO – Nachweispflicht gegenüber dem Grundbuchamt – in unterschriftsbeglaubigter oder beurkundeter Form erforderlich ist.
4. Haftungsrisiken für die Gesellschafter
Rechtsgeschäfte vor Eintragung der GmbH können zu einer Vorbelastung des Gesellschaftsvermögens der GmbH führen; damit bestehen Risiken für die Gesellschafter (sog. Verlustdeckungshaftung und Unterbilanzhaftung; hierzu: Protz/Krome im Beck’schen Handbuch der Gm...