Zusammenfassung
Die Eröffnung neuer Geschäftsfelder ist für den Kanzleiinhaber immer wieder ein Thema bei der Befassung mit der Weiterentwicklung der Steuerberatungskanzlei. Für einen Steuerberater bieten sich verschiedene Themenkomplexe an, in denen er aufgrund seiner Fachkenntnisse befähigt ist, als Spezialist Gutachten zu erstellen. Hat ein Gericht einen Steuerberater zum Sachverständigen in einem Rechtsstreit bestellt, übersendet es die Gerichtsakte mit der Bitte um Erstellung eines Gutachtens gem. Beweisbeschluss. Will der Steuerberater das Geschäftsfeld "Gutachtenerstellung" etablieren, hat er sich zunächst die Frage zu stellen, auf welche Gebiete er sich spezialisieren will und dann, wo und wie die entsprechenden Aufträge akquiriert werden können.
Die weniger beachtete Vorschrift des § 22 StBVV normiert bereits den Vergütungstatbestand der Ausarbeitung eines schriftlichen Gutachtens mit eingehender Begründung. Diese Vorschrift gilt allerdings nur im Rahmen der Vorbehaltsaufgaben des Steuerberaters nach § 33 StBerG, also für Gutachten im Rahmen der Hilfeleistung in Steuersachen und der Hilfe bei Erfüllung der steuerlichen Pflichten. Über diesen engen Rahmen hinaus ergibt sich für den Steuerberater ein weites Betätigungsfeld im Bereich der Erstellung von Gutachten.
An gesetzlichen Vorschriften in Bezug auf Sachverständigengutachten findet sich weiterhin als Rechtsgrundlage das Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG). Dieses Gesetz regelt u. a. die Vergütung der Sachverständigen, die von einem Gericht, der Staatsanwaltschaft, den Finanzbehörden in den Fällen, in denen diese das Ermittlungsverfahren selbstständig durchführen, und den Verwaltungsbehörden in Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten beauftragt werden.
Der Bereich der Privatgutachten ist beherrscht von dem Grundsatz der Privatautonomie. Das bedeutet, dass hier Vertragsfreiheit herrscht und die Vergütung sich nach den §§ 612 bzw. 632 BGB oder nach freien Vergütungsvereinbarungen richtet.
1 Anlässe für die Erstellung von Gutachten
Gutachten dienen in aller Regel als Entscheidungsgrundlage für Dispositionen des Mandanten, als Argumentations- oder Diskussionsgrundlage in Verhandlungen oder auch zur Feststellung von Tatsachen zur Vorbereitung einer gerichtlichen Entscheidung. Daneben dienen sog. Schiedsgutachten – bei entsprechender Vereinbarung der Beteiligten – der Beilegung von Meinungsverschiedenheiten, indem sich die Beteiligten den Feststellungen des Schiedsgutachters unterwerfen.
Durch die gutachterlichen Feststellungen sollen Unklarheiten über das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts oder Tatbestands (z. B. Vorliegen von Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit, Eintritt von Insolvenz, Vorliegen eines Beratungsfehlers) oder Uneinigkeit (z. B. über den Wert eines Vermögensgegenstands oder die Höhe eines Schadens) beseitigt werden.
2 Mögliche Auftraggeber
Am nächsten liegend kommen als Auftraggeber die bereits vorhandenen Mandanten in Betracht, wenn bestimmte Dispositionen anstehen, so z. B. bei Festlegung eines Kaufpreises oder Abfindungsanspruchs. Ist der Steuerberater in die Entwicklungen im Unternehmen oder auch im Privatbereich der Mandanten eingebunden, dürfte es ihm nicht schwerfallen, aus diesem Anlass einen Gutachtenauftrag zu akquirieren.
Ist die Entscheidung getroffen, mit der Erstellung von Gutachten ein neues Geschäftsfeld zu eröffnen, wird es unumgänglich sein, sich bei weiteren Institutionen, bei denen ein Bedarf an Gutachten besteht, bekanntzumachen. In erster Linie sind dies die Zivil- und Strafgerichte, daneben kommen auch Schiedsgerichte in Betracht. Gutachtenaufträge können demnach bei Gerichten, Behörden und Kammern, aber auch als Privatgutachten bei Unternehmen, Versicherungen, Banken, Insolvenzverwaltern und anderen Berufsangehörigen oder dort, wo Schiedsgutachten nach der Zivilprozessordnung (ZPO) gefragt sind, akquiriert werden. Ebenso wäre zu überlegen, ob im Rahmen von Schlichtungs- oder Mediationsverfahren Gutachten hilfreich für die erstrebte Einigung der Beteiligten sein können. Im Sinne einer erstrebten schnellen Erledigung dieser Verfahren könnte allerdings das zeitliche Moment der Einholung von Gutachten entgegenstehen.
Die Frage nach dem "Wie" der Akquisition beantwortet sich nach den noch immer recht strikt gehaltenen Regelungen über zulässige Werbemaßnahmen und die zulässige Außendarstellung des Steuerberaters in seiner Eigenschaft als Sachverständiger. Man wird sich an den von Gesetz und Rechtsprechung für zulässig gehaltenen Werbemaßnahmen orientieren können, die ihre Grenzen an den Begriffen der Unlauterkeit oder Irreführung von Werbemaßnahmen finden.
3 Herangehensweise
Je nach der Person des Auftraggebers ist zu unterscheiden, ob der Steuerberater als Sachverständiger die Funktion
- eines neutralen Gutachters,
- eines Beraters oder
- eines Vermittlers
ausfüllen soll.
Bei einer Beauftragung durch Gerichte, also in den Fällen, in denen die Vergütung sich nach dem JVEG richtet, kommt ausnahmslos die Funktion als neutraler Gutachter zum Tragen, der mi...