Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
1. Ein Raum ist als häusliches Arbeitszimmer von anderen beruflich genutzten Zimmern im häuslichen Bereich abzugrenzen.
2. Räumlichkeiten, die ihrer Ausstattung und Funktion nach nicht einem Büro entsprechen, sind auch dann nicht dem Typus des häuslichen Arbeitszimmers zuzuordnen, wenn sie ihrer Lage nach mit dem Wohnraum des Steuerpflichtigen verbunden und so in dessen häusliche Sphäre eingebunden sind.
3. Ist eine Zuordnung zum Typus des häuslichen Arbeitszimmers nicht möglich, sind die durch die berufliche Nutzung veranlassten Aufwendungen grundsätzlich unbeschränkt als Werbungskosten gem. § 9 Abs. 1 S. 1 EStG abziehbar.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 S. 1, § 9 Abs. 5, § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG
Sachverhalt
Der Kläger war nicht selbstständig im Bereich Beratung, Verkauf und Betreuung ausschließlich an seinem Wohnsitz, einem 216 qm großen Zweifamilienhaus, tätig, dessen Obergeschoss er und seine Ehefrau zu Wohnzwecken nutzten. Mit der ESt-Erklärung für 2003 machte er bei den Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit u.a. Aufwendungen in Höhe von 3 325 EUR für ein Arbeitszimmer geltend. Als Arbeitszimmer behandelte er die im Erdgeschoss des Zweifamilienhauses gelegenen Räume (ca. 70 qm), nämlich Eingangsbereich (3,6 qm), Treppenhaus (8,4 qm), Büro (15,60 qm), Kamin- (9,45 qm) und Besprechungszimmer (13,50 qm), Archiv (9,80 qm) und Bad (9,90 qm).
Das FA berücksichtigte Kosten für das Arbeitszimmer gem. § 9 Abs. 5, § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 3 Halbs. 1 EStG 2003 nur in Höhe von 1 250 Euro.
Die Klage hatte nur teilweise Erfolg (FG Düsseldorf, Urteil vom 12.02.2007, 11 K 3170/05 E, Haufe-Index 1763074, EFG 2007, 746).
Entscheidung
Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG mit den unter Praxis-Hinweisen genannten Vorgaben zu weiteren Feststellungen zurück.
Hinweis
Der Besprechungsfall erforderte, das häusliche Arbeitszimmer, für das Abzugsbeschränkungen und Abzugshöchstbeträge gelten, von anderen – ebenfalls mit den Wohnräumen verbundenen – beruflich genutzten Räumen abzugrenzen, für die der allgemeine unbegrenzte Werbungskostenabzug gilt.
1. Das Tatbestandsmerkmal häusliches Arbeitszimmer ist ein Typus: Ein Arbeitsraum, der nach seiner Lage, Funktion und Ausstattung in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist, vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer Arbeiten dient und typischerweise mit Büromöbeln eingerichtet ist, der Schreibtisch dabei regelmäßig als zentrales Möbelstück (BFH, Urteil vom 19.09.2002, VI R 70/01, BFH/NV 2003, 247, BFH/PR 2003, 88). Nicht zum Typus des häuslichen Arbeitszimmers rechnen daher – auch wenn mit dem Wohnraum verbunden und in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden – z.B. Lager, Werkstatt, Arztpraxis oder Ausstellungsräume (BFH, Urteile vom 19.03.2003, VI R 40/01, BFH/NV 2003, 1163; vom 26.06.2003, VI R 10/02, BFH/NV 2003, 1560). Aber: Sind solche Räumlichkeiten nahezu ausschließlich beruflich genutzt, sind die dadurch veranlassten Aufwendungen grundsätzlich unbeschränkt als Werbungskosten gem. § 9 Abs. 1 S. 1 EStG abziehbar (BFH, Urteil vom 20.11.2003, IV R 3/02, BFH/NV 2004, 1016, BFH/PR 2004, 298). Hier kam noch die Besonderheit hinzu, dass der Steuerpflichtige eine ganze Etage mit diversen Räumen zu seinem "Arbeitszimmer" erklärte. Dann gilt: Die Qualifizierung als häusliches Arbeitszimmer ist für jeden Raum gesondert vorzunehmen, es sei denn, die Räume bilden eine funktionale Einheit, was aber ihre nahezu identische Nutzung voraussetzt (BFH, Urteil vom 20.11.2003, IV R 30/03, BFH/NV 2004, 568, BFH/PR 2004, 177).
2. Diese Grundsätze gab der BFH dem FG für den zweiten Rechtsgang vor. Jetzt ist festzustellen, inwieweit die nicht mit typischen Büromöbeln ausgestatteten und auch keine funktionale Einheit bildenden Räume jeweils so gut wie ausschließlich beruflich benutzt wurden, wobei Zeiten der Nichtnutzung nicht als außerberufliche Nutzung gelten. Die Feststellungslast für die steuermindernde Tatsache der beruflichen Nutzung der Räume trägt der Kläger, die für eine mehr als unerhebliche außerberufliche Nutzung trägt das FA.
Wie sind die Kosten aufzuteilen? Die nicht unmittelbar zuzuordnenden Kosten im Verhältnis der Fläche der Räume zur Gesamtwohnfläche ohne häusliches Arbeitszimmer; die variablen Kosten ggf. nach dem Umfang der Nutzung der Räume.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 26.03.2009, VI R 15/07