Leitsatz
Wickelt ein ehemals Verfügungsberechtigter eines fremden Bankkontos darüber Zahlungsvorgänge aus eigenen Geschäftsvorfällen für eigene Rechnung ab, so haftet die Bank für den Steuerschaden, der dadurch eintritt, dass sie das Konto nicht sperrt, sondern Guthaben ohne Zustimmung des FA ausbezahlt, obwohl sie weiß, dass der ursprüngliche Kontoinhaber nicht mehr existiert.
Normenkette
§ 5, § 72, § 154, § 309 AO
Sachverhalt
Eine GmbH hatte jahrelang bei einem Kreditinstitut ein Geschäftskonto unterhalten, über das A verfügungsberechtigt war. Alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin der GmbH war die Ehefrau des A. Später wurde die GmbH im Handelsregister von Amts wegen gelöscht. Das Konto blieb aber bestehen. Der steuerlich hoch verschuldete A führte jetzt ein Unternehmen, für dessen Zahlungsverkehr er sich des GmbH-Kontos bediente. Das FA pfändete deshalb das Konto. Es wies in der betreffenden Verfügung darauf hin, das Konto laute zwar auf den Namen der GmbH, sei aber dem A als dem Verfügungsberechtigten persönlich zuzurechnen. Das Kreditinstitut wehrte sich dagegen und sah die Pfändung als wirkungslos an. Da A in der Zeit zwischen der Zustellung jener Verfügung und der schließlich erfolgten Kündigung von dem Konto erhebliche Beträge abgehoben hatte, wurde das Kreditinstitut vom FA als Haftungsschuldner nach § 191 Abs. 1 i.V.m. § 72 AO in Anspruch genommen.
Entscheidung
Der BFH hat das Vorgehen des FA als rechtmäßig angesehen und die Vorentscheidung des FG Münster (Urteil vom 7.7.2010, 11 K 2777/07, Haufe-Index 2388669, EFG 2010, 1759) aufgehoben.
Hinweis
Nach § 154 Abs. 1 AO darf niemand auf einen falschen oder erdichteten Namen für sich oder einen Dritten ein Konto errichten oder Buchungen vornehmen lassen. Dagegen ist im Besprechungsfall zwar ursprünglich nicht verstoßen worden, wohl aber bei den späteren Abbuchungen des A. Denn diese kamen nicht der GmbH zugute (mag diese noch als fortbestehend anzusehen sein oder nicht), sondern dem neuen Unternehmen des A. Die in § 154 Abs. 3 AO vorgesehene Kontensperre, die sich gerade gegen das Kreditinstitut richtet, griff deshalb ein; sie entsteht, wenn ein Dritter ersichtlich Buchungen auf einen falschen Namen vornehmen lässt.
Ein Kreditinstitut muss selbstredend nicht bei jeder Buchung prüfen, ob diese nicht möglicherweise unter falschem Namen bzw. auf einem fremden Konto erfolgt. Hier aber wusste das Kreditinstitut aus der Pfändungsverfügung des FA positiv, dass dies bei künftigen Buchungen des A der Fall ist. Deshalb ist auch der Vorwurf zumindest grober Fahrlässigkeit gegen das Institut vom BFH erhoben worden.
Heikler als all dies dürfte die Frage sein, ob das Verhalten des Instituts für den Schaden des FA ursächlich war. Auch das wird man wohl bejahen müssen. Aber wie verhält es sich mit einer Schadensminderungspflicht des FA? Hätte dies nicht eine wirksame Pfändung ausbringen müssen bzw. seine Verfügung, sollte sie denn wirksam gewesen sein, durchsetzen müssen? Der BFH will diesen Einwand ersichtlich nicht gelten lassen, ohne sich allerdings damit eingehender überhaupt auseinanderzusetzen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 13.12.2011 – VII R 49/10