Leitsatz
Die Feststellungslast bei der Nichterweislichkeit von Lohnzahlungen trägt grundsätzlich das Finanzamt, da es sich hierbei um einen steuererhöhenden Tatbestand handelt. Sind Lohnsteueranmeldungen abgegeben worden, obliegt die Feststellungslast dem Steuerpflichtigen. Die Drittwirkung von Steuerfestsetzungen nach § 166 AO findet bei Lohnsteuerhaftungsbescheiden, die nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung gegen den Arbeitgeber erlassen wurden, keine Anwendung. Der durch Haftungsbescheid in Anspruch genommene GmbH-Geschäftsführer muss sich die Unanfechtbarkeit des an die GmbH gerichteten Lohnsteuerhaftungsbescheides nicht zurechnen lassen. Die Rechtsnorm des § 166 AO ist dagegen anwendbar, wenn die Lohnsteuern durch Steuerbescheide gegen die GmbH festgesetzt wurden. Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers nach § 69 AO ist durch den Grundsatz der anteiligen Tilgung begrenzt. Dieser gilt auch für pauschalierte Lohnsteuer, den hierauf entfallenden Solidaritätszuschlag und die Säumniszuschläge.
Sachverhalt
Im Urteilsfall wurde ein GmbH-Geschäftsführer für rückständige Lohnsteuern, Solidaritätszuschlag, Verspätungs- und Säumniszuschläge von zwei GmbHs in Haftung genommen. Für beide GmbHs wurden in 1996 keine Lohnsteuern angemeldet oder abgeführt. Ab Januar 1997 erfolgte die Festsetzung von Lohnsteuern im Schätzungswege. Im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung schätzte der Prüfer die Lohnsteuern 1996 und 1997 nach den vertraglich vereinbarten Geschäftsführer-Gehältern. Gegenüber den GmbHs wurden Lohnsteuerhaftungs- und Nachforderungsbescheide erlassen und der Vorbehalt der Nachprüfung für 1996 und 1997 aufgehoben. Nach Bestandskraft der Bescheide und vergeblichen Vollstreckungsversuchen nahm das Finanzamt den GmbH-Geschäftsführer beider GmbHs in Haftung.
Der GmbH-Geschäftsführer begehrte die Aufhebung der gegen ihn erlassenen Haftungsbescheide. Er trug vor, die GmbHs haben ab 1996 keine lohnsteuerpflichtigen Beschäftigten gehabt. Die Geschäftstätigkeit der GmbHs ruhe. Die GmbH 1 verfüge zudem seit 1996 über kein Geschäftskonto mehr. Die an die GmbHs gerichteten Bescheide haben nach Auffassung des Haftungsschuldners keine Drittwirkung nach § 166 AO entfaltet. Das Finanzamt bemängelte, die behauptete Nichtzahlung der Gehälter sei nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden. Die Feststellungslast hinsichtlich der Nichtzahlung von Löhnen trage der GmbH-Geschäftsführer.
Entscheidung
Haftung dem Grunde nach
Das Niedersächsische FG erkennt die Haftung des GmbH-Geschäftsführers nach § 69 AO i. V. m. § 34 Absatz 1 AO dem Grunde nach an. Eine Rechtswidrigkeit oder Nichtigkeit der Haftungsbescheide infolge inhaltlicher Unbestimmtheit liege nicht vor.
Haftung wegen Abgabenrückständen der GmbH 1
Nach Auffassung des FG konnte nicht zweifelsfrei geklärt werden, ob die fraglichen Lohnsteuern und Solidaritätszuschläge entstanden sind. Anhaltspunkte, die gegen die Darstellung sprechen, es seien 1996 - 1999 keine Löhne gezahlt worden, lägen nicht vor. Es existierten keine Hinweise auf geschäftliche Aktivitäten der GmbH 1 in diesen Jahren. Ferner hätten die GmbH-Geschäftsführer nachgewiesen, in den fraglichen Jahren bei einem anderen Arbeitgeber Lohn bezogen zu haben. Da im Streitfall keine Lohnsteueranmeldungen abgegeben wurden, trage die Feststellungslast einer Lohnzahlung das Finanzamt.
Die Haftung infolge des Lohnsteuerhaftungsbescheides für 1997 entfalle, da die Drittwirkung von Steuerfestsetzungen nicht auf Haftungsbescheide Anwendung findet. Der GmbH-Geschäftsführer hafte dagegen für die durch Steuerbescheid festgesetzte Lohnsteuer für 1997 und den hierauf entfallenden Solidaritätszuschlag für 1997. Er muss nach Ansicht des FG die unanfechtbare Steuerfestsetzung nach § 166 AO gegen sich gelten lassen, weil er als gesetzlicher Vertreter der GmbH in der Lage gewesen wäre, die Steuerfestsetzungen anzufechten. Die Haftungs- und Nachforderungsbescheide über Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag für 1998 und 1999 stehen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Die Rechtsbehelfsfristen der Bescheide seien zwar abgelaufen, infolge der Korrekturnorm des § 164 Absatz 2 AO sieht der BFH die Bescheide nicht als unanfechtbar an (BFH, Urteil v. 20.1.98, VII R 80 /97, BFH/NV 1998 S. 814). Da die GmbH die Änderung der Bescheide bewirken könne, müsse auch der Haftungsschuldner seine Einwendungen vorbringen dürfen.
Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers nach § 69 AO begrenze sich nach dem Grundsatz der anteiligen Tilgung. Ein Kausalzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden in Form des eingetretenen Steuerausfalls fehle, wenn mangels ausreichender Zahlungsmittel und vollstreckbaren Vermögens die geschuldete Steuer nicht hätte beglichen werden können. Nach Ansicht des FG trägt das Finanzamt die Feststellungslast für eine nicht anteilige Befriedigung. Mangels anderweitiger Feststellungen entfällt die Haftung für die pauschalisierte Lohnsteuer 1997, den darauf entfallenden Solidaritätszuschlag sowie für Verspätungs- und Säumniszuschläge.
Haftung wegen Abga...