Leitsatz
1. Die Ähnlichkeit eines Heilhilfsberufs ohne staatliche Regelung mit dem Katalogberuf des Krankengymnasten scheitert nicht daran, dass der Steuerpflichtige keine staatliche Erlaubnis zur Führung seiner Berufsbezeichnung besitzt. Vielmehr reicht es aus, wenn er über die Erlaubnis seiner beruflichen Organisation verfügt, die Kenntnisse bescheinigt, die den Anforderungen einer staatlichen Prüfung für die Ausübung der Heilhilfsberufe vergleichbar sind (Änderung der Rechtsprechung).
2. Die Zulassung des jeweiligen Steuerpflichtigen bzw. die regelmäßige Zulassung seiner Berufsgruppe nach § 124 Abs. 2 SGB V durch die zuständigen Stellen der gesetzlichen Krankenkassen stellt ein ausreichendes Indiz für das Vorliegen einer dem Katalogberuf des Krankengymnasten ähnlichen Ausbildung, Erlaubnis und Tätigkeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG dar (gegen BMF-Schreiben vom 3.3.2003, BStBl I 2003, 183).
3. Fehlt es an einer solchen Zulassung, haben die Finanzämter und ggf. die Finanzgerichte festzustellen, ob die Ausbildung, die Erlaubnis und die Tätigkeit des Steuerpflichtigen mit den Erfordernissen des § 124 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 SGB V vergleichbar sind.
Normenkette
§ 15 EStG , § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG , § 2 Abs. 1 GewStG
Sachverhalt
Der Kläger war als Audio-Psycho-Phonologe nach der sog. Tomatis-Methode selbstständig tätig. Überwiegend behandelte er Patienten, die ihn aufgrund ärztlicher Empfehlung aufsuchten. Nach einer Ausbildung zum Musiker war der Kläger als Assistent des HNO-Arztes Tomatis tätig gewesen und hatte ein Zertifikat über die Befähigung und Berechtigung zur eigenständigen Anwendung dessen Behandlungsmethode erworben.
Das FA behandelte den Kläger als Gewerbetreibenden und erließ einen GewSt-Messbescheid. Die dagegen erhobene Klage hatte in erster Instanz Erfolg, denn das FG war der Auffassung, der Kläger übe einen dem Heilpraktiker ähnlichen Beruf aus.
Entscheidung
Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies das Verfahren zurück. Der Kläger habe zwar keinen dem Heilpraktiker, aber möglicherweise einen dem Krankengymnasten ähnlichen Beruf ausgeübt. Das FG müsse hierzu unter Beachtung der oben genannten neuen Kriterien zur Behandlung von Heilhilfsberufen weitere Feststellungen treffen.
Hinweis
1. Freiberufler im Sinn des Ertragsteuerrechts ist, wer eine der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG bezeichneten Tätigkeiten, einen der anschließend genannten sog. Katalogberufe oder einen Beruf ausübt, der einem der Katalogberufe ähnlich ist (sog. ähnlicher Beruf). Die vom Gesetzgeber gewählte Methode, den Rahmen der freiberuflichen Einkünfte mit Hilfe eines Katalogs zu bestimmen, hat den Nachteil, dass neu entstehende Berufe nur bei ausdrücklicher Aufnahme in das Gesetz einbezogen werden können, wenn sie nicht einem der bisherigen Katalogberufe ähnlich sind. Deshalb betrifft die Mehrzahl der ertragsteuerlichen Streitigkeiten zu freien Berufen die Frage, ob ein ähnlicher Beruf ausgeübt wird.
Der BFH hat für die Prüfung der Vergleichbarkeit drei Kriterien aufgestellt: Der ausgeübte Beruf muss mit dem Katalogberuf vergleichbar sein in Bezug auf
- tatsächlich ausgeübte Tätigkeit
- Ausbildung
- Berufszulassung und -überwachung.
2. Mit Berufszulassung ist dabei grundsätzlich eine staatliche Zulassung gemeint, die es allerdings bei neuen Berufen erst nach deren staatlicher Anerkennung gibt. Folge der bisher strikt verlangten staatlichen Anerkennung war, dass neue Berufe nicht in den Genuss einer ertragsteuerlichen Behandlung als freie Berufe kommen konnten (so noch BFH, Urteil vom 13.2.2003 IV R 49/01, BFH-PR 2003, 369).
Diese strenge Rechtsprechung gibt der BFH nun in einem Teilbereich auf, wie schon nach dem Anfragebeschluss vom 20.3.2003, IV R 69/00 (BFH-PR 2003, 261) zu erwarten war. Bei Heilhilfsberufen, die dem Katalogberuf des Krankengymnasten (heute: Physiotherapeut) ähnlich sind, wird nicht mehr eine staatliche Zulassung verlangt. An deren Stelle können ersatzweise treten entweder
- eine Zulassung der gesetzlichen Krankenkassen nach § 124 Abs. 2 SGB V oder
- eine Zulassung durch eine Berufsorganisation, die mit einer staatlichen Prüfung zur Ausübung von Heilhilfsberufen vergleichbare Kenntnisse voraussetzt.
Beachten Sie, dass diese Lockerung nur für Heilhilfsberufe gilt. Für Heilberufe hält der BFH im Besprechungsurteil ausdrücklich an der staatlichen Erlaubnis fest.
3. Liegt eine Zulassung der gesetzlichen Krankenkassen nach § 124 Abs. 2 SGB V vor, geht der BFH zugleich davon aus, dass die ausgeübte Tätigkeit der des Katalogberufs entspricht. In der Regel wird die Zulassung auch nur Personen erteilt, die eine vergleichbare Ausbildung absolviert haben. Die Zulassung nach § 124 Abs. 2 SGB V hat dann dieselbe Wirkung, als wenn der betreffende Beruf in den Katalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG aufgenommen worden wäre.
Ausdrücklich widerspricht der BFH mit dem Besprechungsurteil insoweit der Ansicht der Finanzverwaltung im BMF-Schreiben vom 3.3.2003 (BStBl. I 2003, 183), wonach die Zulassung nach § 124 Abs. 2 SGB V kein Merkmal für die Verg...