rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Schätzung von Kapitaleinkünften
Leitsatz (redaktionell)
1. Ist ausgeschlossen, dass Anlagebeträge aus laufenden Einkünften finanziert worden sind, ist die Schlussfolgerung, die Gelder seien in den Vorjahren sowohl kapital- als auch ertragsmäßig vom Antragsteller nicht erklärt worden, gerechtfertigt.
2. Die aus einer Kapitalanlage gezogenen Erträge dienen als Basis für die Schätzung von Einkünften in den Vorjahren.
3. Zur Anwendung der auf 10 Jahre verlängerten Festsetzungsfrist wegen Steuerhinterziehung kommt es nicht darauf an, wer die Steuer hinterzogen hat.
4. Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflicht und legt er dem Finanzamt Tatsachen, die ausschließlich oder überwiegend seiner Wissens- und Einflusssphäre zugehören nicht offen, so reduziert sich in entsprechendem Maße die Ermittlungspflicht der Behörde. Sie kann dann von der Existenz bestimmter Tatsachen auch unter Zugrundelegung eines geringeren als des üblichen Grades der Überzeugung ausgehen.
Normenkette
AO § 169 Abs. 2 Nr. 2, §§ 162, 90 Abs. 2
Streitjahr(e)
1987, 1988, 1989, 1990, 1991, 1992, 1993, 1994, 1995, 1996
Tatbestand
Der Antragsteller war in den Streitjahren als Rechtsanwalt und Notar beruflich tätig. Er wurde mit seiner im Jahr 1996 verstorbenen Ehefrau gemeinsam zur Einkommen- und Vermögensteuer veranlagt. Die jeweiligen Steuererklärungen erstellte er selbst.
Im Rahmen von Ermittlungsmaßnahmen gegen Mitarbeiter der A-Bank und die B-Bank, Niederlassung X , wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung wurde festgestellt, dass unter dem Namen des Antragstellers am 5.5.1992 ein Betrag von 1.000.000,-- DM bei der B-Bank in London zu einem Zinssatz von 9 % angelegt worden war. Da Zinsen aus diesem Geldgeschäft offensichtlich nicht in den in der Einkommensteuererklärung 1992 erklärten Einkünften aus Kapitalvermögen enthalten waren, wurde gegen den Antragsteller in 1998 ein Strafverfahren eingeleitet. Auf Antrag der Steuerfahndungsstelle X ergingen am 19.02.1999 mehrere Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse des Amtsgerichts X . Die Durchsuchung erstreckte sich u.a. auf die beiden Wohnungen des Antragstellers in X und Y , dessen Geschäftsräume in X sowie verschiedene Banken. Auf die Beschwerde des Antragstellers hob das Landgericht X den Beschluss auf Durchsuchung der Geschäftsräume seines Verteidigers in Y und der Beschlagnahme der dortigen Unterlagen auf. Im übrigen hatte die Beschwerde des Antragstellers keinen Erfolg.
Im Zuge der Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndungsstelle wurde festgestellt, dass der Antragsteller Einnahmen aus Kapitalvermögen aus seinen bei der A-Bank geführten Konten nicht erklärt hatte. Ferner sind nach den der Steuerfahndungsstelle vorliegenden Händlerzetteln der B-Bank (Devisenhandel) auf den Namen des Antragstellers bei der B-Bank in London am 01.04.1992 700.000,-- DM und ab 5.5.1992 nach Erhöhung um 294.215,28 DM 1.000.000,-- DM angelegt worden. Nach weiteren kurzfristigen Polongationen war dieser Anlagebetrag incl. Zinsen am 15.10.1992 auf 1.041.356,42 DM angestiegen und wurde auf das Konto des Antragstellers Nr. 1859170 bei der A-Bank zurücküberwiesen.
Mit Anschreiben vom 13.10.1992 sandte die A-Bank einen auf das Konto des Antragstellers bezogenen Scheck i.H.v. 1.041.356 DM an die C-Bank. Sie verwies darauf, dass der gemeinsame Kunde, Herr in X, gebeten habe, den beiliegenden Scheck zu übersenden. Die Verwendung des Schecks habe entsprechend den Absprachen mit Herrn zu erfolgen. Das Kapital wurde sodann zur B-Bank Luxemburg transferiert. Die dortige Entwicklung des Kapitals und die dort angefallenen Zinsen sind nicht bekannt.
Nach mehrmaliger erfolgsloser Aufforderung der Steuerfahndungsstelle, der Antragsteller möge Unterlagen über Kapitalstände und Erträgnissaufstellungen der ausländischen Banken vorlegen, schätzte der Prüfer dies auf das in Luxemburg ab 22.10.1992 überwiesene Kapital voraussichtlich in den Jahren 1992-1997 angefallenen Erträge. Ferner wurden unter Berücksichtigung dessen, dass die Herkunft des Anlagebetrages von 1.000.000,-- DM am 5.5.1992 nicht nachzuvollziehen war, voraussichtlich entstandene Zinserträge in den vorangegangenen Jahren 1987-1992 geschätzt. Wegen dieser und der weiteren Prüfungsfeststellungen wird auf den Bericht der Steuerfahndungsstelle vom 19. Mai 2000 und dessen Anlagen verwiesen.
Die Veranlagungsstelle schloss sich den Feststellungen des Prüfers an und erließ gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geänderte Einkommensteuerbescheide für 1987-1989 und 1993 am 14.08.2000, für 1990-1992 und 1994 am 03.08.2000 sowie am 30.06.2000 für 1996. Ferner ergingen unter Berücksichtigung der Feststellungen des Steuerfahndungsprüfers geänderte Vermögensteuerbescheide am 08.11. und 16.11.2000. Im Vermögensteuerbescheid auf den 01.01.1993 wurde Vermögensteuer für 1993, im Vermögensteuerbescheid auf den 01.01.1995 Vermögensteuer für 1995 und 1996 festgesetzt.
Gegen diese Bescheide legte der Antragsteller fristgerecht Einsprüche ein...