rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachweis für den Zugang eines Bescheides

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Der von der Behörde zu führenden Nachweis des Zugangs und des Zeitpunkts des Zugangs eines Bescheides kann nicht nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises geführt werden. es gelten vielmehr die allgemeinen Beweisregeln, insbesondere der Indizienbeweis.
  2. Ein gewichtiges Indiz für die Annahme des Zugangs eines Bescheides ist regelmäßig die Tatsache, dass der als Empfänger benannte Beteiligte sich mit seiner Behauptung, der betreffende Bescheid sei ihm nicht zugegangen, in Widerspruch zu früheren Äußerungen setzt.
  3. Ein rein passives Verhalten des Betroffenen liefert kein Indiz für den Zugang eines Bescheides.
  4. Bestreitet der Prozessbevollmächtigte erstmals im gerichtlichen Verfahren nach erfolgter Akteneinsicht den Zugang eines Aufhebungsbescheides, kann dies nicht als Indiz zum Nachteil des Steuerpflichtigen gewertet werden, wenn der Steuerpflichtige im Vorverfahren keine konkrete Aussage zum Zugang des Bescheides gemacht hat kann dies nicht als Indiz zum Nachteil des Steuerpflichtigen bewertet werden.
 

Normenkette

AO § 122 Abs. 2 S. 2 Nr. 1

 

Streitjahr(e)

2010

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob ein Bescheid über die Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung wirksam bekannt gegeben worden ist mit der Folge, dass eine Neufestsetzung von Kindergeld für den von der Aufhebung betroffenen Zeitraum ausgeschlossen ist. Dem Rechtsstreit liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die Klägerin erhielt für ihren Sohn I (geboren am ...1985) seit dem Jahr 2001 regelmäßig Kindergeld. Nachdem I das 18. Lebensjahr vollendet hatte, forderte die Beklagte (die Familienkasse) die Klägerin wiederholt auf, über die (schulische bzw. berufliche) Ausbildung ihres Sohnes entsprechende Nachweise vorzulegen. Die Klägerin kam diesen Aufforderungen zunächst auch regelmäßig nach. Zuletzt legte sie am 26.08.2008 eine Bescheinigung der …–Schule in … (berufsbildende Schulen des Kreises …) vor, nach der I die dortige Schule voraussichtlich bis zum 30.06.2009 besuchen sollte.

Mit Bescheid vom 09.09.2009 hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung mit Wirkung ab dem Monat September 2009 auf. Zur Begründung gab sie an, I habe die Schulausbildung beendet. Dem Bescheid fügte sie verschiedene Merkblätter über die (möglichen) Voraussetzungen eines weiteren Kindergeldbezugs sowie einen Erklärungsvordruck über die Einkünfte und Bezüge (des Kindes) bei. Zu Letzterem forderte sie die Klägerin auf, den Vordruck auszufüllen und mit den erforderlichen Nachweisen wieder einzureichen. Dieser Aufforderung kam die Klägerin in der Folgezeit nicht nach. Daraufhin gab die Familienkasse der Klägerin mit Schreiben vom 06.05.2010 gemäß § 91 der Abgabenordnung (AO) – sinngemäß – den folgenden Hinweis: Die Klägerin habe für die Zeit von Januar 2008 bis August 2009 Kindergeld in Höhe von insgesamt 3.160,00 € erhalten. Trotz entsprechender Aufforderung habe die Klägerin keine Auskünfte darüber gegeben, welche Einkünfte und Bezüge ihr Sohn I während des genannten Zeitraums gehabt habe. Deshalb seien die tatsächlichen Voraussetzungen für einen entsprechenden Kindergeldanspruch nicht mehr nachgewiesen. Auch auf diesen Hinweis reagierte die Klägerin zunächst nicht.

Unter dem Datum vom 09.06.2010 fertigte die bei der Familienkasse zuständige Mitarbeiterin B einen Bescheid, durch den die Kindergeldfestsetzung für das Kind I gemäß § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab dem Monat Januar 2008 aufgehoben und das für den Zeitraum von Januar 2008 bis August 2009 ausgezahlte Kindergeld in Höhe von 3.260,00 € (für die Monate Januar bis Dezember 2008: 1.848,00 €, für die Monate Januar bis August 2009: 1.312,00 €, einmalig bezahlter Kinderbonus: 100,00 €) zurückgefordert werden sollte. Unter demselben Datum erließ sie eine entsprechende Kassenanordnung. Der dazugehörige Computerausdruck enthielt unter anderem folgende Eintragungen: Fälligkeitstermin 26.06.2010, Betrag 3.260,00 €, Beitreibung durch Hauptzollamt.

Unter dem Datum vom 20.06.2010 füllte die Klägerin den Vordruck über die Erklärung zu den Einkünften und Bezügen eines über 18 Jahre alten Kindes (hier für die Jahre 2008 bis 2009) aus und reichte diesen in der Folgezeit bei der Familienkasse ein. Der Vordruck erhielt dort den Eingangsstempel vom 20.07.2010. Die Familienkasse wertete das Einreichen des Vordrucks im Sinne eines neuen Kindergeldantrags. Hieran anknüpfend erließ sie am 08.09.2010 einen Bescheid, durch den sie die erneute Festsetzung von Kindergeld (für zurückliegende Zeiträume) ablehnte. Zur Begründung führte sie unter anderem aus: Mit Bescheid vom 09.06.2010 sei die Kindergeldfestsetzung aufgehoben und das für den Zeitraum Januar 2008 bis August 2009 bereits ausgezahlte Kindergeld zurückgefordert worden. Eine Änderung des vorgenannten Bescheids sei nicht möglich. Erst nach Ablauf der Einspruchsfrist sei die Klägerin ihren Mitwirkungspflichten nachgekommen. Frühestens mit Wirkun...

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