Entscheidungsstichwort (Thema)

Verzicht auf Rückforderung von Kindergeld aus Billigkeitsgründen

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Zivilrechtliche Unterhaltsregelungen können im Verwaltungsverfahren gegen die Rechtmäßigkeit eines Rückforderungsbescheides wegen Kindergeld nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, es ist Sache der Kindergeldberechtigten, bei Wechsel der Anspruchsberechtigung ihre privatrechtlichen Vereinbarungen der Gesetzeslage anzupassen oder bei verspäteter Anpassung mögliche Überzahlungen auf privatrechtlichem Wege auszugleichen.
  2. Ein Verzicht auf den Rückforderungsanspruch wegen Weiterleitung von Kindergeld nach der DA-FamEStG ist eine auf sachlichen Billigkeitsgründen beruhende Billigkeitsmaßnahme.
  3. Die in der DA-FamEStG enthaltene Regelung über die Verfahrensweise in sog. Weiterleitungsfällen entbindet die nachgeordnete Behörde im Rahmen der Entscheidung nicht davon, eigenständig ihr Ermessen auszuüben, ob auf die Rückforderung von Kindergeld in Weiterleitungsfällen verzichtet wird oder nicht.
  4. Das Ermessen muss in der Entscheidung in einer für das Finanzgericht erkennbaren und nachprüfbaren Weise zum Ausdruck gebracht werden.
  5. In der Aussage in dem Bescheid, dass Kindergeld nach den Feststellungen der Behörde nicht weitergeleitet worden ist, ist keine Darlegung der Ermessenskriterien, sondern vielmehr die Mitteilung einer Feststellung zu sehen.
 

Normenkette

AO §§ 163, 227, 155 Abs. 4; FGO § 102; EStG § 64’, DA-FamEStG 64.4 Abs. 3

 

Streitjahr(e)

1997, 1998

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 01.07.2003; Aktenzeichen VIII R 94/01)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist strittig, ob der Kläger empfangenes Kindergeld dem Beklagten zurückzuzahlen hat.

Der Kläger, der von Beruf Arbeiter ist, und seine frühere Ehefrau (E), von der er nach der am 23.06.1997 erfolgten Trennung geschieden ist, sind die Eltern der Kinder J, T und D. Für diese drei Kinder erhielt der Kläger Kindergeld für Juli 1997 bis einschließlich Januar 1998 in Höhe von monatlich jeweils …  DM.

Aufgrund einer Mitteilung des Einwohnermeldeamtes erfuhr der Beklagte, dass die drei Kinder seit Juni 1997 im Haushalt der E und nicht mehr im Haushalt des Klägers wohnten. Dies hatte der Kläger dem Beklagten nicht mitgeteilt. Mit Schreiben vom 11.02. und 20.04.1998 an den Kläger wies der Beklagten diesen darauf hin, dass nicht er, der Kläger, sondern E vorrangig kindergeldberechtigt sei und dass der Kläger Kindergeld für Juli 1997 bis einschließlich Januar 1998 zu erstatten habe.

Dem trat der Kläger mit der Begründung entgegen, er habe das Kindergeld an die E jeweils weitergeleitet, indem es in den Unterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle miteingerechnet worden sei. Gegenüber dem Beklagten erklärte die E dagegen, jeweils nur die Hälfte des Kindergeldes erhalten zu haben; auf die Erklärung des Klägers vom 20.05.1998 (Bl. 46 KG-Akte) und der E vom 30.05.1998 (Bl. 48 KG-Akte) wird Bezug genommen.

Der Beklagte hob darauf hin gemäß Bescheid vom 08.06.1998 die Kindergeldfestsetzung auf und forderte von dem Kläger ebenfalls mit Bescheid vom 08.06.1998 das für Juli 1997 bis Januar 1998 gezahlte Kindergeld zurück. Den Einwand des Klägers, das Kindergeld weitergeleitet zu haben, ließ er nicht gelten; auf den genannten Bescheid wird verwiesen.

Der Einspruch hiergegen blieb gemäß Einspruchsentscheidung vom 29.07.1998 erfolglos; eine Weiterleitung des Kindergeldes erkannte der Beklagte nicht an; wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidung verwiesen.

Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger im wesentlichen vor, der Bescheid sei formell und materiell rechtsunwirksam, weil eine formelle Anhörung nicht erfolgt sei. Materiellrechtlich sei der Bescheid deswegen rechtswidrig, da dem Beklagten ein Anspruch aus § 37 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) wegen Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben nicht zustehe. So habe er Vermögensdispositionen zu Gunsten seiner unterhaltsberechtigten Kinder getroffen und das von ihm erlangte Kindergeld sofort und unverzüglich an seine frühere Ehefrau für seine Kinder entsprechend der anwaltlich vorgenommenen Unterhaltsberechnungen geleistet. Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit seien in seinem Verhalten nicht zu erkennen.

Soweit die E mitgeteilt habe, nur die Hälfte des Kindergeldes bekommen zu haben, entspreche dies nicht den Tatsachen, denn das ihm ausgezahlte Kindergeld sei der vorrangig berechtigten Kindesmutter vollständig ausgezahlt worden. Bei der Berechnung der Unterhaltsansprüche der Kindesmutter und der Kinder sei der Umstand berücksichtigt worden, dass wegen des niedrigen monatlichen Einkommens des Klägers eine Mangelfallberechnung vorgenommen worden sei. Der hälftige Kindergeldbetrag sei deshalb hinzugerechnet worden, da das Kindergeld nach wie vor an den Kläger und Unterhaltsverpflichteten in der Zeit von Juli 1997 bis Januar 1998 ausgezahlt worden sei. Wäre eine Kindergeldzahlung an die unterhaltsberechtigte Kindesmutter erfolgt, wäre der Kläger berechtigt gewesen, einen hälftigen Abschlag von den Tabellensätzen vorzunehmen. Berechne m...

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