rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Geldwert von Zeitaufwand als außergewöhnliche Belastung
Leitsatz (redaktionell)
Reiner Zeitaufwand führt auch dann nicht zur steuerlichen Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung i.S.d. § 33 EStG, wenn dieser im Rahmen einer ehrenamtlichen Betreuung der eigenen Mutter anfällt und wenn für jede Stunde ein fiktiver Geldwert durch den betreuenden Sohn angesetzt wird.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1;
Streitjahr(e)
2008
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um das Vorliegen außergewöhnlicher Belastungen gem. § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) in Höhe von 4.098,00 EUR.
Der Kläger erzielte im Streitjahr 2008 als geschäftsführender Gesellschafter Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 103.142,00 EUR und war ehrenamtlicher, vom Amtsgericht A bestellter Betreuer seiner an Demenz und Darmkrebs erkrankten sowie testier- und geschäftsunfähigen Mutter. Die Betreuung schloss die Betreuung für die Sorge der Gesundheit, die Bestimmung des Aufenthaltsrechtes und Rechtsangelegenheiten ein. Seit dem 1.4.2008 war die Mutter in einem Pflegeheim untergebracht. Sie ist im Kalenderjahr 2009 verstorben.
In der Einkommensteuererklärung für 2008 beantragte der Kläger die Berücksichtigung folgender Positionen als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG:
Vom Kläger getragene Heimkosten für die Mutter |
5.790,00 EUR |
Krankheitskosten des Klägers |
1.351,89 EUR |
Fahrtkosten nach A (Heimsuchung, Sozialamt, Amtsgericht) |
397,20 EUR |
Sachleistungen und sonstiger Bedarf der Mutter |
285,35 EUR |
Aufwand für Betreuung der Mutter (250 Stunden x 10,00 EUR) |
2.500,00 EUR |
Gesamt: |
10.324,44 EUR |
Ausweislich des Einkommensteuerbescheides für 2008 vom 14.4.2010 erkannte der Beklagte den geltend gemachten Betreuungsaufwand in Höhe von 2.500,00 EUR nicht als außergewöhnliche Belastung an.
Im sich anschließenden Einspruchsverfahren machte der Kläger geltend, dass er durch die Nichtanerkennung der Betreuungskosten in seiner Menschenwürde getroffen worden sei. Wegen der Erkrankung seiner Mutter seien ihm zwangsläufig höhere Aufwendungen entstanden, als diese von der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen zu tragen seien. Aus einem Schreiben des Sozialamtes A gehe hervor, dass seine Mutter zu Unterhaltsforderung berechtigt sei (§§ 1601, 1606, 1608 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB –). Dies schließe auch die Betreuung für die Sorge der Gesundheit, die Bestimmung des Aufenthaltsrechtes und Rechtsangelegenheiten ein. Obwohl er als amtlich bestellter Betreuer für seine verstorbene Mutter tätig geworden sei, sei die Anerkennung dieser Tätigkeit von der Finanzbehörde in diskriminierender Weise verweigert worden. Er habe 6 Urlaubstage als Betreuer mit Tätigkeiten in A verbringen müssen, weil er dazu als amtlich bestellter Betreuer verpflichtet gewesen sei. Nachweislich seines Terminkalenders sei er wie folgt tätig geworden:
Einweisung in das Hospital A (Chef Onkologie) |
5.2.2008 |
Einweisung in das Krankenhaus B |
28.2.2008 |
Seniorenheimsuche: |
9.5.2008 |
Sozialamt A (Beantragung Pflegezuschuss) |
21.4.2008 |
Wohnungsauflösung A |
21.6.2008 |
Sozialamt A |
5.8.2008 |
Insofern seien 6 Betreuungstage zu jeweils 433,00 EUR pro Tag, d.h. insgesamt 2.598,00 EUR zu berücksichtigen. Durch die extreme Belastung habe er 6 Urlaubstage nehmen müssen. Hinzu seien noch ca. 150 Stunden Zeitaufwand bzgl. drei Ordner Schriftverkehr, Telefonate, Prüfung Rechnungen sowie Zuzahlungen für nicht von der Krankenkasse und Behörden übernommene Rechnungen etc. gekommen. Für diese 150 Stunden seien weitere 1.500,00 EUR zu berücksichtigen. Somit mache er im Einspruchsverfahren 4.098,00 EUR geltend.
Mit Einspruchsentscheidung vom 6.7.2010 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass einer Berücksichtigung des geltend gemachten Betrages i.H.v. 4.098,00 EUR als außergewöhnliche Belastung gem. § 33 EStG das Tatbestandsmerkmal der Zwangsläufigkeit entgegenstehe. Die Übernahme des Ehrenamtes sei grundsätzlich nicht als zwangsläufig anzusehen, weil der Kläger hierzu nicht verpflichtet gewesen sei. Das zuständige Vormundschaftsgericht habe den Kläger nicht als Berufsbetreuer bestellen wollen. Vielmehr sei dieser im Einklang mit der Regelung des § 1897 Abs. 6 BGB auf die Übernahme der Betreuung als Familienangehöriger angesprochen worden. Die Annahme der Zwangsläufigkeit scheitere auch daran, dass der Kläger nach eigenen Angaben keinen Versuch gemacht habe, den ihm grundsätzlich zustehenden Aufwendungsersatz zu erlangen. Zudem habe für den Kläger auch keine sittliche Verpflichtung zur Übernahme der rechtlichen Betreuung bestanden. Es sei nicht ersichtlich, welche Folge eine Weigerung des Klägers, das Amt eines Betreuers übernehmen, für ihn gehabt hätte. Die fiktiven Werte für die 6 Urlaubstage zu je 433,00 EUR und die geschätzten Betreuungsstunden zu je 10 EUR belasteten nicht tatsächlich das Vermögen des Klägers und könnten somit einkommensteuerrechtlich nicht berücksichtigt werden. Dies gelte auch angesichts des Einwands des Kläge...