Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Nachweis der Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen
Leitsatz (redaktionell)
- Der Buch- und Belegnachweis ist ein durch die Finanzbehörde mit allen Beweismitteln widerlegbarer Anscheinsbeweis.
- Der Belegnachweis für die Voraussetzungen einer umsatzsteuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung nach § 6a UStG kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung geführt werden.
- Soll der Beweis der Voraussetzungen des § 6a UStG ausnahmsweise anders als durch die formellen Anforderungen des §§ 17a, 17c UStDV geführt werden, sind als Beweismittel nur Belege und Aufzeichnungen zulässig. Mangels Nachweises über die Umstände der Verschaffung der Verfügungsmacht genügt der Nachweis der Zahlung mittels Banküberweisung regelmäßig nicht.
- Der Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 UStG setzt voraus, dass der formelle Buch- und Belegnachweise dem Grunde nach erbracht ist und sich der Steuerpflichtige der Seriosität seines Geschäftspartners vergewissert hat.
Normenkette
UStG § 6a; UStDV §§ 17a, 17c
Streitjahr(e)
2018
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um den Nachweis der Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen. Der Kläger betreibt in Deutschland einen Großhandel für Friseurbedarf und kosmetische Erzeugnisse. Gemäß seinen Angaben in vier aktenkundigen Rechnungen Nr. xxxxx vom 03.12.2018 über …,- Euro (Bl. 27 des Fallheftes N20, Bl. 39 u. 40 der Klageakte), Nr. xxxxx vom 11.12.2018 über …,- Euro (Bl. 30 des Fallhefts N20, Bl. 38 der Klageakte – handschriftlich oben links vermerkt „KFZ-KENNZEICHEN #1”), Nr. xxxxx vom 17.12.2018 über …,- Euro (Bl. 26 Fallheft M19, Bl. 32 des Fallheftes N20, Bl. 37 u. 44 der Klageakte – handschriftlich oben links vermerkt „KFZ-KENNZEICHEN #2”) und Nr. 97513302 vom xxxxx über …,- Euro (Bl. 33 des Fallheftes M20, Bl. 49 der Klageakte) lieferte er verschiedene Artikel an die Firma „A GmbH, M D X, Frankreich”. Alle Rechnungen enthalten einen Hinweis auf das Vorliegen einer steuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferung und weisen keine deutsche Umsatzsteuer aus. Sie wurden i.H.v. …,- Euro bei Abholung in bar (vgl. die Kopien aus dem handschriftlich geführten Kassenbuch, Bl. 28 ff. des Fallheftes N20) und i.H.v. …,- Euro per Banküberweisung (vgl. den Ausdruck der Umsatzdetails mit dem Absender „A, Frankreich, Bl. 31 des Fallheftes N20”) bezahlt.
Tatsächlich existiert eine in Frankreich gegründete und im dortigen Handelsregister eingetragene Firma A S. à. r. l. mit der satzungsmäßigen Anschrift in Frankreich (im Folgenden: ,A'), deren Rechtsform der „société à responsibilité limitée” mit der einer inländischen GmbH vergleichbar (d.h. die als juristische Person und Kapitalgesellschaft selbst rechtsfähig) ist und deren alleiniger und einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer im Streitjahr Herr X D (im Folgenden: ,D.') war (vgl. die Registerauskunft Bl. 22 ff. Fallheft M19). Auf die vom Kläger eingeholten und aktenkundigen Ausweiskopien des D. (Personalausweis und Reisepass) wird Bezug genommen (Bl. 13 ff. des Fallheftes M19). Nach dem Inhalt einer im Zuge der Geschäftsbeziehung mit dem Kläger vorgelegten Bestätigung (wörtlich: „Attestation”) vom 11.03.2019 in französischer Sprache und mit dem Briefkopf der A (angegebene E-Mail-Adresse: „A@xxx.com”) erklärte D., dass er bestätige, dass Herr T (im Folgenden: ,T.') bevollmächtigt sei, in allen ausgeführten Handelsaktivitäten (wörtlich: „toute la marchandise commandée de notre société”) für die A zu handeln (Bl. 20 Fallheft M19). Ausweislich eines für T. ausgestellten und nicht befristeten inländischen Aufenthaltstitels vom 23.01.2014 hatte dieser seinen Wohnsitz in Deutschland (Bl. 60 f. Fallheft N20).
In seiner für Dezember 2014 beim Beklagten (dem Finanzamt, im Folgenden: ,FA') eingereichten Umsatzsteuervoranmeldung gab der Kläger die vier rechnungsmäßigen Lieferungen an die A zum Rechnungsbetrag von insgesamt …,- Euro als steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferungen an (Bl. 9 des Fallheftes N19), was das FA zum Anlass nahm, am 01.03.2019 und nochmals am 20.01.2020 jeweils eine Umsatzsteuernachschau i.S.d. § 27b UStG durchzuführen, als deren Folge es die Voraussetzungen des § 6a UStG für die in den Jahren 2018 und 2019 dokumentierten Liefervorgänge an die A anhand der vom Kläger vorgelegten Belege zunächst anerkannte. Auf die Nachschauberichte vom 08.04.2019 (Bl. 33 ff. Fallheft M19) und vom 11.03.2020 (Bl. 97 ff. des Fallheftes N20) wird Bezug genommen. Als Belege i.S.d. § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV 2018 hatte der Kläger dem FA hierbei jeweils mit einem Stempel der A (mit Anschrift, aber ohne Rechtsformzusatz) und einem Unterschriftszug (ohne Angabe des Namens des Unterzeichnenden im Klartext) versehene Gelangensbestätigungen der (laut Kopfzeile) „A GmbH” vom 04.01.2019 als Sammelbestätigung ohne (Bl. 16 des Fallheftes M19) und ebenfalls vom 04.01.2019 nunmehr mit (Bl. 27 des Fallheftes N19, Bl. 62 des Fallheftes N20) handschriftlich ergänzter Angabe des Tages des Erhalts der vier Lieferungen in Frankreic...