vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [V R 2/06)]
Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerbefreiung der Tätigkeit als Sozialarbeiter
Leitsatz (redaktionell)
- Die privatrechtliche selbstständige Tätigkeit eines Sozialarbeiters für einen gemeinnützigen Verein, der Erziehungshilfen in Konfliktfällen in einem Projekt für Kinder-, Jugend- und Altenhilfe im Auftrag des Jugendamtes nach §§ 27 - 41 SGB VIII durchführt, ist auf Grund Art. 13 Teil AA Abs. 1 g und h der 6. EG-Richtlinie steuerbefreit.
- Unbeachtlich für die Steuerbefreiung ist, wenn die Kosten für die Tätigkeit der Sozialarbeiter nicht unmittelbar von Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen werden, sondern zunächst an einen Verein entrichtet werden, der seinerseits die Entgelte an den Sozialarbeiter weiterleitet.
Normenkette
UStG § 4 Nrn. 25, 14; 6. EG-Richtlinie Art. 13 Teil A Abs. 1
Streitjahr(e)
2002
Nachgehend
Tatbestand
Die Kläger haben eine zweijährige Ausbildung als „systemische Berater” absolviert und sind als Sozialarbeiter selbständig in der ambulanten Kinder- Jugend- und Familienhilfe im Auftrag eines als gemeinnützig anerkannten Vereins tätig. Dieser Verein führt „ambulante Erziehungshilfen” in einem Projekt Kinder-, Jugend- und Familienhilfestelle im Auftrag des Jugendamtes nach §§ 27-41 SGB VIII durch. Er berät Kinder-, Jugend- und Müttergruppen und junge Erwachsene beim betreuten Wohnen. Er hilft (z.B. bei Gewalt in der Familie oder bei Alleinerziehenden) durch sozialpädagogische Einzelbetreuung Konflikte jeder Art zu lösen. Er kümmert sich um seelisch behinderte Kinder und versucht, diesen zur Schulfähigkeit zu verhelfen.
Die Umsätze des Vereins werden vom Finanzamt (FA) nach § 4 Nr. 25 Umsatzsteuergesetz (UStG) („Einrichtungen der Jugendhilfe”) als steuerfrei angesehen. Da der Verein wegen der stark schwankenden Auslastung keine eigenen Arbeitnehmer beschäftigen kann, bedient er sich von Fall zu Fall selbständiger Kinder- und Jugendhelfer. Hierbei werden die Kläger, die ausschließlich in vertraglichen Beziehungen zum Verein stehen, zunächst von der Leiterin des Vereins angerufen und es wird vorab geklärt, ob sich der Fall zur Konfliktlösung durch die Kläger eignet. Nach Fallübernahme setzen sich die Kläger mit dem Jugendamt in Verbindung, von wo aus die Maßnahmen im Einzelnen mit den Klägern abgesprochen werden. Die Kläger erhalten ihre Entgelte vom Verein, der seinerseits von der Gemeinde Zahlungen nach dem Sozialgesetzbuch erhält.
Die Kläger wurden vom FA zur Abgabe von Umsatzsteuer-Erklärungen aufgefordert. Da das FA im Anschluss an Abschnitt 199 Absatz 5 der Umsatzsteuer-Richtlinien die Rechtsauffassung vertrat, dass nur die Umsätze der Träger der Jugendhilfe selbst, nicht aber die der freiberuflichen Familienhelfer unter die Befreiungsnorm fielen, setzte es gegenüber dem Kläger A mit Bescheid vom 30.01.2004 Umsatzsteuer 2002 in Höhe von 5.294,24 Euro fest (33.089 Euro x 16% und Vorsteuern von 0 Euro) und änderte gegenüber dem Kläger B die als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung geltende Steueranmeldung über 0 Euro am 24.08.2004 und setzte die Umsatzsteuer 2002 in Höhe von 1.489,28 Euro fest (14.683 Euro x 16% bei geschätzten Vorsteuern von 860 Euro).
Gegen diese Bescheide legten die Kläger fristgerecht Einspruch ein mit der Begründung, es handele sich bei ihnen nicht um freiberufliche Familienhelfer, sondern um Helfer im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe. Sie seien „nicht als Familienhelfer in der Betreuung tätig, sondern arbeiteten im sozialpädagogischen Bereich mit konkreten therapeutischen Zielen”. Es sei sinnwidrig, wenn der von der Umsatzsteuer befreite Verein mangels Vorsteuerabzug die Umsatzsteuer eines selbständigen Helfers zahlen müsse.
Nach Zurückweisung der Einsprüche haben die Kläger Klage erhoben mit der Begründung, ihre Leistungen seien nach § 4 Nr. 25 UStG (öffentliche Jugendhilfe), § 4 Nr.14 (Heilbehandlung) sowie aufgrund unmittelbarer Anwendung des Art. 13 Teil A Abs.1 Buchstabe g (Sozialfürsorge) der 6. EG Richtlinie steuerbefreit.
a) § 4 Nr.25 UStG sei einschlägig. Begünstigte Unternehmer seien die Träger der öffentlichen Jugendhilfe und die förderungswürdigen Träger der freien Jugendhilfe. Der EuGH habe entschieden, dass auch natürliche Personen Träger von Einrichtungen seien könnten (EuGH Urteil vom 07.09.1999 C-216/97 -Gregg -). Wenn das deutsche Umsatzsteuergesetz an die Rechtsform anknüpfe und nicht an die Art der Leistung widerspreche dies Art. 13 der 6. EG Richtlinie.
b) Weiterhin sei die Steuerbefreiung des § 4 Nr.14 UStG gegeben. Es liege eine „ähnliche heilberufliche Tätigkeit” vor. Dies ergebe sich aus dem EuGH Urteil vom 10.09.2002 (Rs C-141/00 Ambulanter Pflegedienst Kügler GmbH), wonach Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung als Heilbehandlung steuerbefreit seien. Eine Heilbehandlung liege vor, weil der Verein die Kläger beauftragen würd...