rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Erste Tätigkeitsstätte bei beamtenrechtlichen Abordnungen
Leitsatz (redaktionell)
- Bei der Beurteilung, ob eine erste Tätigkeitsstelle im Sinne des § 9 Abs. 4 S. 1 EStG vorliegt, ist entscheidend, ob der Arbeitnehmer aus der ex-ante-Sicht nach den arbeits- oder dienstrechtlichen Festlegungen an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung nach Bestimmung des Arbeitgebers tätig werden sollte; auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit die der Arbeitnehmer dort ausgeübt, kommt es nicht an.
- In der Abordnung ”bis auf Weiteres“ ist im Gegensatz zu einer befristeten Abordnung ein Ende der Tätigkeit nicht angelegt, so dass der Tätigkeitsort der Abordnung als erste Tätigkeitsstätte zu qualifizieren ist.
- Zur Qualifizierung als Tätigkeitsstätte bedarf es auch der tatsächlichen Ausübung der Tätigkeit an dem zugewiesenen Ort.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4, Abs. 4
Streitjahr(e)
2017
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung von Fahrtkosten als Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte i.S.v. § 9 Abs. 4 EStG bzw. als Fahrten zu einer Auswärtsstätte.
Der Kläger wohnt mit seiner Ehefrau in A-Stadt und ist Beamter. Er arbeitet als Dozent an einer Hochschule des Landes Hessen.
Mit Schreiben vom 27. Juni 2011 ordnete der Dienstherr des Klägers, den Kläger mit Wirkung vom 01. August 2011 für die Dauer von sechs Monaten vom seiner bisherigen Dienststelle an die Hochschule zur Verwendung als Dozent ab. Mit Schreiben vom 12. Januar 2012 verlängerte der Dienstherr die Abordnung bis auf weiteres. Am 03. März 2013 versetzte der Dienstherr den Kläger von seiner bisherigen Dienststelle an eine andere Dienststelle. Auf die laufende Abordnung hatte die Versetzung keine Auswirkung. Der Kläger arbeitete im streitentscheidenden Veranlagungszeitraum 2017 durchgängig als Dozent an der Hochschule. Er suchte die Hochschule im streitentscheidenden Veranlagungszeitraum an 158 Arbeitstagen und die Dienststelle an einem Arbeitstag auf. In den Vorjahren 2013 bis 2016 suchte der Kläger die Dienststelle insgesamt an acht Arbeitstagen auf – an zwei Arbeitstagen in 2013, 2014 und 2016 sowie an einem Arbeitstag in 2015 und 2017. Daneben suchte er die Dienststelle an sechs Arbeitstagen in 2013 auf. Die Hochschule suchte er in den Vorjahren 2013 bis 2016 unter Berücksichtigung von Übernachtungen und Unterrichtsfreizeiten an insgesamt 587 Arbeitstagen auf – an 93 in 2013, 158 in 2014, 165,5 in 2015 und 170,5 in 2016, wobei die hälftigen Werte aus Übernachtungen stammen.
Im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2017 erklärte der Kläger Werbungskosten für Fahrtkosten zur Hochschule i.H.v. XXX € (158 Tage × XXX Kilometer × 0,30 €/km × 2). Der Beklagte erließ am 25. Juli 2018 den Einkommensteuerbescheid für 2017, erläuterte, dass die Entfernungspauschale für Fahrten zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte 0,30 € je Entfernungskilometer betrage und berücksichtigte aufgerundet XXX € (158 Tage × XXX km × 0,30 €).
Gegen den Bescheid legte der Kläger mit E-Mail vom 10. August 2018 fristgerecht Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 25. März 2019 als unbegründet zurückwies.
Der Kläger hat fristgerecht mit Schreiben vom 12. April 2019, eingegangen am 16. April 2019, Klage vor dem Hessischen Finanzgericht erhoben.
Der Kläger ist der Ansicht, dass die Fahrtkosten zur Hochschule nach Reisekostengrundsätzen und nicht im Rahmen der Entfernungspauschale zu berücksichtigen seien, da seine erste Tätigkeitsstätte die Dienststelle wäre.
Nach der Neuregelung des Reisekostenrechts sei bei der Bestimmung der ”ersten Tätigkeitsstätte“ vorrangig auf die arbeits- oder dienstrechtlichen Festlegungen (Direktionsrecht des Arbeitsgebers) sowie die diese ausfüllenden arbeits- oder dienstrechtlichen Weisungen/Verfügungen abzustellen, hilfsweise mittels quantitativer Kriterien. Sein Arbeitgeber habe ihn dauerhaft der Dienststelle zugeordnet, weil er am 03. März 2013 dorthin unbefristet versetzt wurde. Aus der Gesetzesbegründung gehe hervor, dass weitere Kriterien, wie die Nähe zur Wohnung oder der Schwerpunkt (Mittelpunkt) der beruflichen Tätigkeit durch Anwesenheits- und Dienstzeiten, nur herangezogen werden könnten, wenn keine eindeutige dauerhafte Zuordnung durch den Arbeitgeber vorläge. In seinem konkreten Einzelfall habe der Arbeitgeber indes eine eindeutige Zuordnungsentscheidung zur Dienststelle getätigt und diese durch eindeutige Dokumentation, bestehend aus Versetzungsverfügung, Personalakte, Zuordnung zur Planstelle in der neuen Dienststelle und dem Personallenkungssoll (PLS), niedergelegt. Eine Beurteilung der Tätigkeitsstätte nach dem Einsatz und dem Umfang der Diensterbringung an der Hochschule sei nicht zulässig, weil diese Beurteilung subsidiär ist und nur dann vorzunehmen wäre, wenn es – anders als hier – keine eindeutige dienst- und arbeitsrechtliche Festlegung gäbe.
Ihm gäbe die Formulierung in der letzten Abordnungsverfügung ”bis auf weiteres“ nic...