rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrufungsauskunft zum Schutz vor Manipulationen eines elektronisch geführten Fahrtenbuchs
Leitsatz (redaktionell)
- Hat das Finanzamt eine Lohnsteueranrufungsauskunft nicht mit dem vom Arbeitgeber begehrten Inhalt erteilt, aber den Sachverhalt im Wesentlichen richtig erfasst, kann der Arbeitgeber keine (abweichende) Lohnsteueranrufungsauskunft verlangen, wenn die vom Finanzamt geäußerte rechtliche Einordnung des zur Prüfung gestellten Sachverhalts in sich schlüssig und nicht evident rechtsfehlerhaft ist. In diesem Fall ist Rechtsschutz nur gegen lohn- oder einkommensteuerrechtliche Festsetzungen gegeben.
Bei einem elektronisches Fahrtenbuchprogramm ist kein Schutz vor jeglichem Hackangriff erforderlich. Das elektronische Fahrtenbuch muss jedoch
- in einer in sich geschlossenen Form erstellt werden,
- im Grundsatz nachträgliche Veränderungen an den erfassten Daten technisch ausschließen oder zumindest als solche offengelegt und erkennbar machen und
- mit vertretbarem Aufwand auf seine materielle Richtigkeit hin überprüfbar sein.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 3, § 42e
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Erteilung einer inhaltlich richtigen Lohnsteueranrufungsauskunft nach § 42e Einkommensteuergesetz (EStG). Dem Rechtsstreit liegt der folgende Sachverhalt zu Grunde:
Die Klägerin ist Arbeitgeberin und als solche zur Abgabe von Lohnsteueranmeldungen verpflichtet. Sie überlässt ihren Arbeitnehmern firmeneigene Kraftfahrzeuge, die diese auch für Privatfahrten verwenden dürfen. Die Mitarbeiter mit Firmenfahrzeug sind alle für die Betreuung von Baustellen zuständig. Die Baustellen befinden sich an unterschiedlichen Orten im A-Gebiet, im B-Raum, im C und im Raum D.
Die Klägerin beabsichtigt, die Ermittlung des geldwerten Vorteils bzgl. der Privatfahrten anstelle einer Bewertung mit der 1%-Methode i.S.d. § 8 Abs. 2 Satz 2 und 3 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG nach der sog. Fahrtenbuchmethode nach § 8 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG vorzunehmen.
Mit Schreiben vom 01.12.2020 übersandte die Klägerin einen beispielhaften Ausdruck eines Fahrtenbuchs eines der Mitarbeiter an das zunächst zuständige Finanzamt E mit der Bitte um eine verbindliche Auskunft zu dessen Ordnungsmäßigkeit. Hierzu führte die Klägerin weiter aus, dass die Fahrtenbücher durch die Arbeitnehmer jeweils manuell mit Hilfe eines Computerprogramms erstellt werden. Nach Rückkehr vom Einsatzort erfolge der Eintrag dieser Fahrt in der Datenbank. Hierzu stünden unterschiedliche Eingabegeräte zur Verfügung, im Büro ein Terminal, unterwegs ein Laptop oder ein Tablett. Eingetragen werde in eine Protokolldatenbank das Datum, das Projekt, Start- und Zielort, Grund der Fahrt, Entfernung in km, Kilometerstand bei Fahrtbeginn und –ende sowie die Zuordnung zu betrieblicher oder privater Fahrt. Jede Fahrt sei dabei ein Datensatz in einer Datenbank. Sobald dieser Datensatz abgespeichert sei, sei eine Änderung nicht mehr möglich. Sollten Änderungen auf Grund einer Fehlereintragung notwendig werden, so müsse ein neuer Datensatz mit dem gleichen Inhalt wie der fehlerhafte Datensatz angelegt werden, jedoch mit negativem Vorzeichen bei den Kilometerangaben mit Bezug auf den fehlerhaften Datensatz. Danach müsse ein weiterer Datensatz mit dem richtigen Inhalt angelegt werden. Hierzu reichte die Klägerin ein Korrekturbeispiel in ausgedruckter Form ein. Die Klägerin führte weiter aus, dass es sich nicht um eine einfache Excel Tabelle handele. Die Datensätze könnten in chronologischer Reihenfolge auf dem Bildschirm angezeigt und auch ausgedruckt werden. Die Fahrzeuge seien den Mitarbeitern fest zugeordnet, jeder Mitarbeiter führe sein Fahrtenbuch persönlich. Privatfahrten und Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte seien in den Datensätzen gekennzeichnet und würden als separate Spalten von den dienstlichen Fahrten unterschieden.
Das Finanzamt E wertete den Antrag als Anrufungsauskunft nach § 42e EStG, diese Auslegung teilte es der Klägerin mit Schreiben vom 30.12.2020 mit. Weiterhin führte das Finanzamt aus, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) Voraussetzung für das Vorliegen eines ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs sei, dass dieses zeitnah und in einer in sich geschlossenen Form geführt werde. Daher bat es die Klägerin um weitere Erläuterungen, wie sich das verwendete Programm konkret darstellt.
Mit Schreiben vom 02.03.2021 führte die Klägerin weiter aus, dass das verwendete Programm das Lotus Notes von IBM, Version 10.0 sei. Sollten mehrere Fahrten bei einem Arbeitnehmer hintereinander stattfinden – was sich aus dem Tagesgeschäft in der Regel nicht ergebe – so fertige der Arbeitnehmer handschriftliche Notizen an, die Eintragungen in die Datenbank erfolgten dann nach Rückkehr zur Betriebsstätte. Die Überwachung der Arbeitnehmer erfolge durch Einblicke des Vorgesetzten in die Fahrtenbücher, die schriftliche Fixierung über die Regelung ...