rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerfreiheit von als Aufwandsentschädigung gezahlten Sitzungsgeldern
Leitsatz (redaktionell)
- Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder, die dem Steuerpflichtigen für seine Tätigkeit als ehrenamtliches Mitglied der Gemeindevertretung gezahlt werden sind grundsätzlich steuerfrei nach § 3 Nr. 12 EStG.
- Zur praktischen Umsetzung der Prüfung, welche Aufwendungen dem einzelnen Steuerpflichtigen entstanden sind können die obersten Finanzbehörden der Länder zur Arbeitsvereinfachung und Gleichbehandlung der Betroffenen durch Erlass allgemeine Sätze festlegen, die bei den einzelnen Gruppen als echte Aufwandsentschädigung anzuerkennen sind.
- Bei der Auslegung von Verwaltungserlassen ist nicht maßgebend, wie das Gericht eine solche aus Anweisung verstünde, wenn sie Gesetz wäre, sondern wie die Verwaltung sie verstanden hat und verstanden wissen wollte und wie sie dementsprechend verfahren ist.
- Ist objektiv zweifelhaft, ob ein bestimmter Fall unter die Verwaltungsanweisung fällt, ist es Sache der Verwaltungsbehörden zu entscheiden, ob die Vereinfachungsregelung anzuwenden ist oder nicht.
Normenkette
EStG §§ 18, 3 Nr. 12
Streitjahr(e)
2007, 2008, 2009
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, in welcher Höhe vom Kläger in seiner Funktion als Mitglied und Vorsitzender einer Gemeindevertretung erzielte Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder einkommensteuerfrei zu belassen sind. Dem Rechtstreit liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:
Die Kläger sind Eheleute, die vom Beklagten (das Finanzamt) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. In ihren Einkommensteuererklärungen für 2007, 2008 und 2009 gaben sie Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (Versorgungsbezüge), Kapitalvermögen sowie Vermietung und Verpachtung an.
Im Streitzeitraum war der Kläger ehrenamtliches Mitglied der Gemeindevertretung B, zugleich war er auch deren Vorsitzender. In den vorgenannten Jahren erhielt er auf Grund dessen von der Gemeinde B nach deren Entschädigungssatzung vom ...2002 Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder in Höhe von 2.792,- € in 2007, 2.942,- € in 2008 und 2.842,- € in 2009. Davon ausgehend, dass die Beträge insgesamt nach § 3 Nr. 12 Einkommensteuergesetz (EStG) steuerfrei sind, unterließen es die Kläger, diese in ihren Steuererklärungen anzugeben.
Im Rahmen einer bei der Gemeinde B durchgeführten Lohnsteueraußenprüfung wurde das Finanzamt auf diesen Sachverhalt aufmerksam. Unter dem 23.03.2011 änderte es die Einkommensteuerbescheide 2007 bis 2009, wobei die Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder unter Berücksichtigung der nach Auffassung des Finanzamts gem. § 3 Nr. 12 EStG steuerfrei bleibenden Beträge (2007 und 2008: 2.160,- €/ 2009: 2.496,- €) als Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit des Klägers berücksichtigt wurden. Der dagegen fristgerecht eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg. Mit ihrer am 25.11.2011 beim Hessischen Finanzgericht erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren - die vollständige Freistellung der Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder - vor Gericht weiter.
Die Kläger sind der Ansicht, die gebotene vollständige Steuerfreistellung der in Rede stehenden Beträge ergebe sich aus zwei (wortgleichen) Erlassen des Hessischen Ministeriums der Finanzen (Az.: S 2337 A – 001 – II 3 b) vom 21.12.2007 (betreffend 2007 und 2008) bzw. 09.06.2009 (betreffend 2009). Nach deren Nr. 1 seien pauschale Entschädigungen und Sitzungsgelder in einer Gemeinde oder Stadt mit höchstens 20.000 Einwohnern – wie der Gemeinde B - in Höhe von 90,-€/ 104,- € pro Monat steuerfrei. Der vorgenannte Betrag ist in den Erlassen mit einer Fußnote versehen. Diese wird weiter unten wie folgt erläutert: „Falls eine höhere Entschädigung gezahlt wird, ist diese bis zu monatlich 175,- € steuerfrei zu belassen (Hinweis auf R 3.12 Abs. 3 Satz 2 der LStR 2008).” Unter Nr. 3 haben die Erlasse den folgenden Wortlaut: „Die Steuerfreibeträge nach Nr. 1 erhöhen sich a. für Vorsitzende der Gemeindevertretung auf das Doppelte der Beträge nach Nr. 1…”. Daran anknüpfend vertreten die Kläger die Auffassung, dass monatlich maximal 350,- €, nämlich zweimal 175,- €, steuerfrei zu belassen wären. Da die vom Kläger vereinnahmten Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder darunter lägen, seien die Beträge insgesamt steuerfrei.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
die geänderten Einkommensteuerbescheide 2007 bis 2009 vom 23.03.20011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.11.2011
aufzuheben.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Finanzamt vertritt die Meinung, dass sich die Formulierung in den vorgenannten Erlassen, wonach monatlich mindestens 175,- € steuerfrei zu belassen sind, auf die insgesamt nach diesem Erlass ermittelten Beträge beziehe. Liege dieser unter dem monatlichen Betrag von 175,- € und würden tatsächlich höhere Entschädigungen gezahlt, dann solle mindestens dieser Betrag berück-sichtigt werden, um eine Schlechterstellung mit anderen Steuerpflichtigen
zu vermeiden. In ...