Entscheidungsstichwort (Thema)
Gleichwertige Haushaltsaufnahme eines Kindes durch getrennt lebende Kindeseltern
Leitsatz (redaktionell)
- Eine Haushaltsaufnahme i.S. des § 64 Abs. 2 S. 1 EStG ist dann gegeben, wenn das Kind in die Familiengemeinschaft mit einem dort begründeten Betreuungs- und Erziehungsverhältnis aufgenommen worden ist; neben dem örtlich gebundenen Zusammenleben müssen Voraussetzungen materieller Art (Versorgung, Unterhaltsgewährung) und immaterieller Art (Fürsorge, Betreuung) erfüllt sein. Die Betreuung des Kindes im Haushalt eines Berechtigten muss dabei einen zeitlich bedeutsamen Umfang und nicht nur Besuchs- oder Feriencharakter haben.
- Von einer gleichwertigen oder annähernd gleichwertigen Haushaltsaufnahme in getrennten Haushalten ist auszugehen, wenn beide Berechtigte die allgemeinen Obhutsvoraussetzungen einer Haushaltsaufnahme in annähernd gleichem zeitlichem Umfang erfüllen.
- Von einer Haushaltsaufnahme in annähernd gleichem zeitlichem Umfang ist auszugehen, wenn sich das Kind in zeitlicher Hinsicht zumindest zu 40% im Haushalt des einen Berechtigten aufhält. Ein Verhältnis von 30% zu 70% erfüllt diese Voraussetzungen nicht mehr.
- Für den Fall der gleichwertigen Aufnahme in mehreren Haushalten, ist § 64 Abs. 2 – 4 EStG analog anzuwenden mit der Maßgabe, dass die Elternteile bestimmen, wer in Bezug auf das Kindergeld vorrangig Berechtigter ist. Tragen Sie hier den Leitsatz ein, der den wesentlichen Inhalt der Entscheidung in Kurzform wiedergibt
Normenkette
EStG § 64 Abs. 1, § 62 Abs. 2, § 63 Abs. 1, § 32 Abs. 1 Nr. 1
Streitjahr(e)
2009
Nachgehend
Tatbestand
Streitgegenstand im vorliegenden Klageverfahren ist der Bescheid vom 2.3.2009, mit welchem die beklagte Behörde die Kindergeldfestsetzung gegenüber dem Kläger mit Wirkung ab Februar 2009 gemäß § 70 Abs. 2 EStG aufgehoben hat sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 16.7.2009.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger im Streitzeitraum ab Februar 2009 bis Ende Juli 2009 (Monatsende der letzten Verwaltungsentscheidung) das minderjährige leibliche Kind K. überwiegend in seinen Haushalt aufgenommen hatte oder ob diese Voraussetzung bei der Kindsmutter vorlag (so im Verwaltungsverfahren die Auffassung der beklagten Familienkasse). Die Kindsmutter wurde mit Beschluss vom 26.2.2010 zum Verfahren beigeladen
(§ 60 Abs. 1 FGO, § 174 Abs. 5 Satz 2 AO).
Im Streit ist ferner, wem von beiden (Kläger oder Beigeladene) das Kindergeld für den Streitzeitraum zusteht, falls beide das gemeinsame leibliche Kind während dieser Zeit in einem annähernd gleichen zeitlichen Umfang in den jeweiligen (getrennten) Haushalt aufgenommen hatten.
Dem Rechtsstreit liegt der folgende Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger und die Beigeladene haben am 3.8.1995 geheiratet. Aus dieser Ehe ging die am 6.9.1995 geborene leibliche Tochter K. hervor. Für dieses Kind beantragte der Kläger unter dem 27.9.1995 Kindergeld zur Auszahlung an sich, womit sich die Beigeladene ausdrücklich durch ihre Unterschrift auf dem Antragsvordruck einverstanden erklärte.
Das Kindergeld wurde seitdem an den Kläger ausgezahlt. Daran änderte sich auch nichts, nachdem sich die Beigeladene im Jahr 2000 vom Kläger getrennt hatte und in eine andere Wohnung – F., AA-Str. – gezogen war. Der Kläger verblieb damals in der bisherigen – zuvor gemeinsam genutzten ehelichen – Wohnung in F., BB-Str..
Zeitnah zum Umzug der Beigeladenen im Jahr 2000 hatte der Kläger der beklagten Familienkasse lediglich eine neue Bankverbindung für die Überweisung des Kindergeldes für K. mitgeteilt, jedoch nichts über die Veränderung in den familiären Verhältnissen (wozu er verpflichtet war).
Nachdem die beklagte Familienkasse Kenntnis davon erlangt hatte, dass sich die Beigeladene polizeilich in die F., AA-Str. umgemeldet hatte sowie davon, dass für die Tochter die Anschrift F., AA-Str. als Hauptwohnsitz und die Anschrift des Klägers, F., BB-Str., als Nebenwohnsitz registriert war, forderte die beklagte Familienkasse den Kläger mit Schreiben vom 15.9.2003 auf klarzustellen, in wessen Haushalt die Tochter K. sich denn nun aufhalte.
Mit Schreiben vom 6.10.2003 teilte der Kläger daraufhin der beklagten Familienkasse mit, dass die Beigeladene und er das Sorgerecht bezüglich der Tochter K. gemeinsam ausübten und dass auch die Betreuung des Kindes von beiden Elternteilen in etwa zu gleichen Teilen ausgeübt werde. K. halte sich in der 1. Wochenhälfte bei der Mutter, in der 2. Wochenhälfte bei ihm auf, die Betreuung in den Ferien werde geteilt.
Im weiteren Verfahren legte der Kläger schließlich am 11.12.2003 der beklagten Familienkasse eine schriftliche Einverständniserklärung der Beigeladenen vor, dass dem Kläger das Kindergeld ausgezahlt werde.
Das Kindergeld wurde daraufhin weiterhin bis Ende 2006 an den Kläger ausgezahlt.
Mit Schreiben vom 2.11.2006 bat der Kläger die beklagte Familienkasse – unter der Überschrift: „Änderung der Bankverbindung” – um künftige Auszahlung de...