vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [II R 7/22)]
Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung der Pro-Kopf-Betrachtung bei mittelbarer Anteilsvereinigung allenfalls im Rahmen des nicht auf Null reduzierten Billigkeitsermessens des Finanzamts
Leitsatz (redaktionell)
- Bei einer mittelbaren Anteilsvereinigung im Sinne von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG gilt für die Beteiligung am Grundbesitz über eine Personengesellschaft die wirtschaftliche Betrachtung am Maßstab der Beteiligung der Gesellschafter am Kapital der Personengesellschaft und nicht die für § 1 Abs. 2a GrEStG geltende Pro-Kopf-Betrachtung; ein nicht am Kapital der Personengesellschaft beteiligter Gesellschafter blockt daher die Grunderwerbsteuerpflicht nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG nicht.
- Jedenfalls für 2012 erfolgte mittelbare Anteilsvereinigungen im Sinne von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG besteht kein Anspruch darauf, dass das Finanzamt aus Vertrauensschutzgesichtspunkten oder im Wege einer gesonderten Billigkeitsentscheidung von einer Grunderwerbsteuerfestsetzung, die sich im Fall der Pro-Kopf-Betrachtung nicht ergeben hätte, absieht.
- Es ist sachfremd und daher mit der Folge des Anspruchs auf eine erneute Ausübung des Billigkeitsermessens ermessensfehlerhaft, wenn das Finanzamt den eine Anteilsvereinigung im Jahr 2012 betreffenden Antrag, die Pro-Kopf-Betrachtung aus Billigkeitsgründen zu berücksichtigen, mit der Begründung ablehnt, dass der Steuerpflichtige die Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG verletzt habe.
- Eine spätere Gesetzesänderung kann die Auslegung der Rechtslage im Zeitpunkt der Verwirklichung des Steuertatbestands nicht beeinflussen.
Normenkette
GrESt § 1 Abs. 3 Nr. 1; AO § 163
Streitjahr(e)
2012
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin, eine Kapitalgesellschaft in Form einer O., wendet sich gegen eine Grunderwerbsteuerfestsetzung wegen einer vermeintlichen Anteilsvereinigung, hilfsweise gegen die Ablehnung der Festsetzung der Grunderwerbsteuer aus Billigkeitsgründen auf 0,- EUR.
Die Klägerin war vermögensmäßig zu 100% am Gesellschaftsvermögen beteiligte alleinige Kommanditistin der G-KG. Nicht vermögensmäßig beteiligte Komplementärin der G-KG war die A, deren Anteile wiederum einer B., gehörten.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 19.01.2012 erwarb eine GL ein in der Gemarkung C, Grundbuch C, Blatt…. gelegenes Grundstück und begann auf dem Grundstück mit der Errichtung einer Logistikimmobilie. Alleingesellschafterin dieser vorgenannten, in D geschäftsansässigen Gesellschaft war die E, welche wiederum mittelbar Tochtergesellschaft der F war, die ihrerseits mittelbar Gesellschafterin einer Kapitalgesellschaft war, die als Verwaltungsgesellschaft ein ihr nicht gehörendes Fondsvermögen managte, zu dem auch die Klägerin gehörte.
Mit zwei privatschriftlichen Verträgen vom 09.02.2012 erwarben einerseits die Klägerin 94 % und andererseits die G-KG 6 % der Anteile an der GL zu einem Kaufpreis von zusammengerechnet … EUR. Zu diesem Zeitpunkt war bereits ein Mietvertrag über die Immobilie in C mit der Verpflichtung der schlüsselfertigen Gebäudeerrichtung abgeschlossen worden.
Eine Anzeige des Vorgangs nach dem Grunderwerbsteuergesetz – GrEStG – erfolgte seinerzeit nicht, sondern erst im April 2019, wobei der vorläufige Grundbesitzwert nach dem Sachwertverfahren gem. §§ 189 ff des Bewertungsgesetzes mit …EUR angegeben wurde. Daraufhin forderte das Lagefinanzamt am 11.07.2019 eine Erklärung zur Feststellung des Grundbesitzwerts der Immobilie in C auf den 09.02.2012 bis zum 09.08.2019 an.
Bereits am 16.07.2019 erließ das beklagte und für die Grunderwerbsteuer zuständige Finanzamt gegenüber der Klägerin einen Grunderwerbsteuerbescheid wegen eines durch die Anteilsübertragung vom 09.02.2012 vermeintlich verwirklichten Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG. Hierbei wurde die Bemessungsgrundlage auf den o.g. vorläufigen Wert geschätzt und in Höhe von 3,5 % hieraus eine Grunderwerbsteuer von … EUR festgesetzt.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 08.08.2019 Einspruch. Nachdem das Finanzamt mit Bescheid vom 28.10.2019 den Grundbesitzwert zum 09.02.2012 einheitlich und gesondert auf … EUR festgestellt hat, erließ das beklagte Finanzamt am 26.11.2019 einen geänderten Grunderwerbsteuerbescheid, mit dem die Grunderwerbsteuer nach einer Bemessungsgrundlage in Höhe des festgestellten Grundbesitzwerts auf … EUR herabgesetzt wurde.
Mit Einspruchsentscheidung vom 20.04.2020 wies das Finanzamt den Einspruch zurück.
Zudem lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 10.12.2019 einen Antrag der Klägerin vom 29.08.2019 auf abweichende Steuerfestsetzung aus sachlichen Billigkeitsgründen gemäß § 163 der Abgabenordnung – AO – auf 0,- EUR ab. Den hiergegen am 06.01.2020 erhobenen Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 14.05.2020 zurück.
Zur Begründung führte das Finanzamt in der Einspruchsentscheidung zum Billigkeitsantrag im Wesentlichen aus, eine s...