rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung zwischen laufenden Einkünften aus selbständiger Tätigkeit und einer steuerbegünstigten Entschädigung oder eines steuerbegünstigten Veräußerungsgewinns
Leitsatz (redaktionell)
- Die von einem Rechtsanwalt an eine Rechtsanwalts- und Notarsozietät zu zahlenden Vertragsstrafe, für die Nichtteilnahme an der vereinbarten Bürogemeinschaft, ist bei der Sozietät steuerlich als laufende Betriebseinnahme aus selbständiger Tätigkeit und nicht als steuerbegünstigte Entschädigung zu erfassen.
- Die Zahlung einer vereinbarten Vertragsstrafe im Zusammenhang mit einer Vertragsverletzung, die zu einer vorzeitigen Beendigung bzw. zum Nichtzustandekommen einer Geschäftsbeziehung geführt hat, liegt bei freiberuflich tätigen Rechtsanwälten noch im Bereich des Üblichen.
- Als Ersatzleistung für ein außerordentliches Schadensereignis und damit als Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1a EStG wäre sie nur dann zu qualifizieren, wenn sie den über die Konventionalstrafe hinausgehenden Schadensersatzansprüchen zuzuordnen wäre und wenn dem Steuerpflichtigen durch das Schadensereignis die wesentlichen Ertragsgrundlagen entzogen worden wären
- Eine Entschädigung im Sinne des§ 24 Nr. 1b EStG liegt nicht schon dann vor, wenn sie kausal mit Nichtausübung einer Leistung verknüpft ist; vielmehr muss sie im Sinne einer finalen Verknüpfung die Gegenleistung für den Verzicht des Empfängers auf eine in der Zukunft liegende Einkunftserzielung darstellen.
- Für eine Tarifvergünstigung nach §§16, 18 Abs. 3, 34 EStG hätte es der Aufgabe eines Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils durch die Sozietät bedurft.
Normenkette
EStG § 18 Abs. 1, § 24 Nrn. 1b, 1a, § 34
Streitjahr(e)
1995
Tatbestand
Streitig ist die steuerliche Behandlung einer im Jahre 1995 gezahlten Vertragsstrafe i.H.v. 78.354, DM bei einer Rechtsanwalts- und Notarsozietät in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR).
Die klagende GbR betrieb u.a. im Jahre 1993 in überörtlicher Sozietät eine Rechtsanwalts- und Notarkanzlei mit Sitz in Stadt A sowie eine Rechtsanwaltskanzlei in Stadt B. Am 05.06.1993 schloss sie mit dem in Stadt B ansässigen Rechtsanwalt und Notar (nachfolgend: X), der nicht Gesellschafter der GbR war und der selber eine eigenständige Rechtsanwalts- und Notariatskanzlei betrieb, einen Vertrag über eine Bürogemeinschaft. Danach beabsichtigten die Klägerin und X, bis zum Jahre 1996 einen Übertragungsvertrag und einen Sozietätsvertrag abzuschließen. Gegenstand des Vertrages vom 05.06.1993 ist auch das an X gerichtete Schreiben vom 31.03.1993, wonach die GbR und X zu diesem Zeitpunkt das Ziel verfolgten, am 05.06.1993 im Büro Stadt A einen Sozietätsvertrag abzuschließen. Ferner sollten sich X und der in Stadt B für die Klägerin tätige Rechtsanwalt Y um einen geeigneten Bürostandort in Stadt B bemühen. Nach dem weiteren Inhalt des Vertrages über eine Bürogemeinschaft vom 05.06.1993 vereinbarten die GbR und X, sich „bis zum Abschluss des Sozietätsvertrages” in Form einer Bürogemeinschaft zusammenzuschließen. Die Bürogemeinschaft sollte zum Zeitpunkt der Ausübung der gemeinsamen Tätigkeit in noch anzumietenden oder zu erwerbenden Büroräumen in Stadt B beginnen. Dies sollte bis spätestens 30.06.1994 geschehen. Ferner sollte jede Partei des Vertrages über eine Bürogemeinschaft die durch die Ausübung seiner Tätigkeit entstehenden Kosten selbst tragen. Teilbare Kosten (z.B. Miete, Telefon etc.) sollten nach noch festzulegenden Maßstäben getragen werden, wobei die tatsächliche Nutzung wesentlicher Verteilungsmaßstab sein sollte. Soweit X Notartätigkeiten durch Veranlassung der GbR vornimmt, sollten die Bruttogebühren nach der Kostenordnung (KostO) geteilt werden. Soweit die GbR durch Veranlassung von X Tätigkeiten vornimmt, sollte dieser 7,5 % der Bruttohonorare erhalten. Unter Ziffer 3. des Vertrages über eine Bürogemeinschaft vom 05.06.1993 heißt es: „Soweit einer der Vertragspartner den Beginn des Bürogemeinschaftsvertrages dadurch verhindert, dass er die Tätigkeit in angemessenen Räumlichkeiten nicht aufnimmt, verwirkt er eine pauschale Vertragsstrafe i.H.v. 75.000, DM an den anderen Vertragspartner. Die Geltendmachung von Schadenersatz wird hiervon nicht ausgeschlossen”.
X nahm in der Folgezeit an der beabsichtigten Bürogemeinschaft nicht teil, weshalb es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kam. Aufgrund eines gerichtlichen Vergleiches in dem Rechtsstreit der GbR gegen X vor dem LG Stadt B vom 05.12.1994 zahlte X an die GbR „zum Ausgleich aller wechselseitigen Ansprüche aus dem Vertrag vom 05. Juli 1993 75.000,00 DM nebst 10 % Zinsen seit dem 01. August 1994”. Der daraus resultierende Betrag i.H.v. 78.354, DM für Hauptforderung und Zinsen wurden von X im Jahre 1995 an die GbR gezahlt. Nach der Mitteilung des LG Stadt B vom 14.02.2012 sind die Akten des landgerichtlichen Verfahrens bereits vernichtet, wobei nur noch das Aktenvorblatt und das Sitzungsprotokoll vom 05.12.1994 vorliegen. Die Klägerin hat auf gerichtliche ...