vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH ) [VII R 3/12]
Entscheidungsstichwort (Thema)
Entstehen der Zollschuld bei undokumentierter Umlagerung im vorübergehenden Verwahrungslager bei Überlassung zum externen gemeinschaftlichen Versandverfahren
Leitsatz (redaktionell)
- Die Umlagerung von Waren, welche sich vor ihrer Überlassung zum externen gemeinschaftlichen Versandverfahren vorübergehend innerhalb eines Verwahrungslagers befinden, stellt für sich genommen noch keine eine Zollschuld auslösende Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung bisim Sinne des Art. 203 Abs. 1 Zollkodex dar; auch wenn die Umlagerung undokumentiert bleibt.
- Sog. Verstapelungen (Verräumungen) innerhalb eines Warenlagers lösen nur dann eine Zollschuld aus, wenn Sendungen im Rahmen einer Verwahrungslagerüberprüfung innerhalb einer gewährten Frist nicht präsentiert werden können.
- Der Hauptverpflichtete hat auch dann für die Einhaltung der Verpflichtungen aus dem Versandverfahren einzustehen, wenn er nicht selbst die Warenbeförderung übernimmt, sondern ein anderes Unternehmen Warenführer ist
- Bei einem Entziehen von Versandgut aus der zollamtlichen Überwachung (Art. 203 Abs. 1 Zollkodex) oder auch nur einer Verletzung von Pflichten aus dem Versandverfahren (Art. 204 Abs. 1 Zollkodex) ist das Auswahlermessen der Behörde dahingehend vorgeprägt, dass die Inanspruchnahme des Hauptverpflichteten regelmäßig ermessensfehlerfrei ist.
- Das Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung kann von einem Gesamtschuldner im Besteuerungsverfahren nur bis zur Bestandskraft des Abgabenbescheids geltend gemacht werden.
Normenkette
ZK Art. 203 Abs. 1, Art. 50, 236 Abs. 1
Streitjahr(e)
2010
Nachgehend
Tatbestand
Streitig in dieser Sache ist, ob für eine zum externen gemeinschaftlichen Versandverfahren überlassene, tatsächlich aber nicht beförderte Ware zuvor während ihrer vorübergehenden Verwahrung in einem Verwahrungslager wegen Entziehens der Ware aus der zollamtlichen Überwachung eine Zollschuld entstanden ist.
Die Klägerin, der der Status eines zugelassenen Versenders bewilligt ist, war von einer Fa. J beauftragt, von der Fluggesellschaft F am Flughafen … in das Zollgebiet der Gemeinschaft eingeführte und in deren Auftrag von einer Fa. S (S) übernommene, gestellte und summarisch angemeldete Waren zum Versandverfahren anzumelden.
Die Fa. S, der am Flughafen … ein Verwahrungslager bewilligt ist, wusste von dieser Beauftragung der Klägerin und gab zum einen bereits in der summarischen Anmeldung die Klägerin als Verfügungsberechtigte an und unterrichtete zum anderen die Klägerin unter Verwendung des Vordrucks der Zollverwaltung „Vorübergehende Verwahrung gestellter Waren” (sog. Verwahrschein) von dem Eintreffen der Waren. Das Verwahrungslager befand sich im Gebäude … in … . Ferner erhielt die Klägerin von der Fa. J eine Ladeliste und verfügte damit über die für die Versandanmeldungen erforderlichen Daten. Mit der sich an die Überlassung zum Versandverfahren anschließenden Warenbeförderung im sog. Luftfrachtersatzverkehr war die Fa. J als Warenführer beauftragt.
Im konkreten Fall erfolgten die Einfuhr, die Gestellung und die summarische Anmeldung am 15.01.2010 und die Anmeldung und Überlassung zum Versandverfahren am 17.01.2010. Sowohl nach der summarischen Anmeldung als auch dem Master Air Waybill (MAWB) handelte es sich um 12 Stücke … ( … ) mit einem Gesamtgewicht von … kg (KN-Code …). In dem Verwahrschein (Bl. 163 Rechtsbehelfsakte) wurde in der Zeile „Warenbeschreibung” zusätzlich angegeben „GLP9/VOR GLP9”, wobei GLP für „Großladepalette” steht. Ausweislich der Versandanmeldung sollte die Ware als Position 3 einer fünf Positionen umfassenden Sendung weiterbefördert werden.
Nach dem Vortrag der Klägerin wurde die Sendung am 18.01.2010 von dem Fahrer der Firma J bei der Fa. S abgeholt. Bei dem zugelassenen Empfänger in … traf die Sendung noch am selben Tag, also am 18.01.2010, ein. Er stellte jedoch fest, dass die Position 3 komplett fehlte, und zeigte dies der Bestimmungsstelle, dem Zollamt (ZA) … des Hauptzollamts (HZA) N, an. Nach dem Eingang der Kontrollergebnisnachricht bei der Abgangsstelle, dem ZA Fracht des HZA K, am 19.01.2010, schrieb der Beklagte die Klägerin als Hauptverpflichtete an, um Auskünfte über den Verbleib der Position 3 der Sendung zu erhalten. Die Klägerin antwortete am 23.02.2010, die fehlenden 12 … hätten am 17.01.2010 nicht mehr verladen werden können und ein Storno sei nicht mehr möglich gewesen. Unter Angabe der MRN-Nummer teilte die Klägerin ferner mit, dass die Ware am 01.02.2010 unter Eröffnung eines neuerlichen Versandverfahrens an den Bestimmungsort versandt worden sei. Eine Überprüfung durch den Beklagten ergab, dass dies zutraf. Der Beklagte ermittelte ferner, dass die Ware am 02.02.2010 von dem zugelassenen Empfänger im Namen des auf dem MAWB angegebenen Warenempfängers...