Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung. Arbeitszeitbetrug als Kündigungsgrund. Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung
Leitsatz (redaktionell)
Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen.
Normenkette
BGB §§ 626, 241 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Gießen (Entscheidung vom 16.08.2013; Aktenzeichen 10 Ca 419/12) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 16. August 2013 - 10 Ca 419/12 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung.
Die Beklagte betreibt eine Großmetzgerei und beschäftigt ca. 70-80 Arbeitnehmer. Ein Betriebsrat ist in dem Unternehmen nicht gebildet. Der Kläger ist seit 26 oder sogar 28 Jahren im Betrieb der Beklagten als Metzger und Leiter der Verpackungsabteilung beschäftigt. Er ist 46 Jahre alt, verheiratet und einem Kind zum Unterhalt verpflichtet. Seine Bruttomonatsvergütung beträgt durchschnittlich 2450 oder 2700 €.
Sowohl im Eingangs- wie auch im Ausgangsbereich des Betriebs befindet sich ein Zeiterfassungsgerät, das die Mitarbeiter beim Betreten und Verlassen des Produktionsbereichs bedienen müssen. Dies geschieht dadurch, indem sie einen Chip an das Zeiterfassungsgerät halten, wodurch ein Signalton ertönt. An der Ausgangstür befindet sich ein Schild, auf dem u.a. steht: "Vor Durchschreiten dieser Tür muss abgestempelt werden! Dieser Bereich wird Video überwacht!"
Mit Schreiben vom 4. Oktober 2012 (Bl. 8, 9 der Akten) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 5. Oktober 2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage.
Die Beklagte hat behauptet, dem Produktionsleiter P sei am 21. September 2012 aufgefallen, dass der Kläger mittags den Produktionsbereich durch die Hygieneschleuse ohne Betätigung der Zeiterfassung verlassen und nach längerer Zeit wieder -erneut ohne Betätigung der Zeiterfassung- betreten habe. Daraufhin habe er den Betriebsleiter D informiert. Dieser habe anhand der vorhandenen Videoaufnahmen die Pausenzeiten des Klägers überprüft und festgestellt dass der Kläger entgegen der Arbeitsanweisungen mehrfach ohne Aus- und Einbuchen den Arbeitsplatz verlassen hatte. Hierbei habe der Kläger seinen Chip nicht an dem ihm zu diesem Zweck ausgehändigten Schlüsselband, sondern in seiner Geldbörse getragen und diese nur zum Schein etwas näher vor die Registrierungseinheit gehalten, dabei jedoch seine Hand zwischen diese und die Registrierungseinheit gebracht, damit eine Registrierung nicht möglich war. Eine daraufhin vorgenommene Überprüfung anhand der noch vorhandenen Videoaufzeichnungen und der registrierten Zeiterfassung habe ergeben, dass der Kläger sich an folgenden Tagen entsprechend verhalten habe:
17. August 2012 in der Zeit von 12:42 Uhr bis 13:25 Uhr
20. August 2012 in der Zeit von 12:38 Uhr bis 12:41 Uhr
21. August 2012 in der Zeit von 12:56 Uhr bis 12:58 Uhr
23. August 2012 in der Zeit von 13:48 Uhr bis 13:51 Uhr
27. August 2012 in der Zeit von 12:56 Uhr bis 13:06 Uhr
28. August 2012 zweimal 13:24 Uhr gestochen
28. August 2012 in der Zeit von 14:22 Uhr bis 14:24 Uhr
29. August 2012 in der Zeit von 14:01 Uhr bis 14:20 Uhr
31. August 2012 in der Zeit von 12:07 Uhr bis 12:15 Uhr
3. September 2012 in der Zeit von 11:20 Uhr bis 11:40 Uhr
19. September 2012 in der Zeit von 12:50 Uhr bis 13:21 Uhr
27. September 2012 in der Zeit von 12:26 Uhr bis 12:57 Uhr
28. September 2012 in der Zeit von 12:59 Uhr bis 13:28 Uhr
29. September 2012 in der Zeit von 10:15 Uhr bis 10:17 Uhr
4. Oktober 2012 in der Zeit von 10:53 Uhr bis 11:05 Uhr
Der Kläger hat hierzu behauptet, wenn er den Produktionsbereich verlassen habe ohne abzustechen, habe dies jeweils betriebliche Gründe gehabt. Auch seien das Zeiterfassungsgerät bzw. die Chips oft defekt gewesen. Der Kläger hat bestritten, dass sein Chip einwandfrei funktioniert und dass er seine Geldbörse nur zum Schein vor die Registrierungseinheit gehalten hat.
Wegen der Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts, des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten und der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der Entscheidung des Arbeitsgerichts (Bl. 146-155 der Akten) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat nach erfolgter Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen D und P (insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll Bl. 128-131 der Akten verwiesen) die Klage abgewiesen. Die fristlose Kündigung sei wirksam, da nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme feststehe, dass der Kläger Arbeitszeitbetrug begangen habe. Auch im Hinblick auf die langjährige Betriebszugehörigkeit wiege das Fehlverhalten des Klägers schwer und habe das Vertrauen der Beklagten in seine Redlichkeit so gestört, dass eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr zumut...