Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenentscheidung. Änderung der Verhältnisse. billiges Ermessen. Erfolgsaussicht. Veranlassung zur Klageerhebung.
Leitsatz (amtlich)
1. Werden die materiell-rechtlichen Voraussetzungen eines geltend gemachten Anspruchs während des sozialgerichtlichen Verfahrens durch eine Änderung der Verhältnisse erfüllt, so ist dem Verwaltungsträger nur dann keine Verpflichtung zur Übernahme der notwenigen außergerichtlichen Kosten d. Kl. aufzuerlegen, wenn der Verwaltungsträger unverzüglich ein Teil-Anerkenntnis abgibt oder einen sachgerechten Vergleichsvorschlag ab Änderung der Verhältnisse unterbreitet
und
keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß die Änderung der tatsächlichen Verhältnisse schon früher eingetreten sein könnte
sowie
auch keine Hinweise dafür gegeben sind, daß durch eine sorgfältige, eigenständige und umfassende Sachaufklärung im Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren ein Rechtsstreit hätte vermieden werden können.
2. Ergeben sich nach Lage der Akten Hinweise dafür, daß die Änderung der Verhältnisse bereits vor dem Zeitpunkt eingetreten ist, ab dem der Verwaltungsträger den Anspruch anerkannt hat, und stellt sich deshalb die Erledigung des Rechtsstreits durch Teil-Anerkenntnis des Beklagten oder Erteilung eines neuen Bescheides und Klagerücknahme im übrigen im Ergebnis wie eine vergleichsweise Beendigung dar, so entspricht es billigem Ermessen, wenn der Verwaltungsträger d. Kl. dessen außergerichtliche Kosten des Widerspruchs- und Gerichtsverfahrens jedenfalls zum Teil erstattet.
3. Bei der Festlegung der Kostenerstattungsquote ist sowohl angemessen zu berücksichtigen, wer Anlaß für die Durchführung eines Klageverfahrens gegeben hat – insbesondere, ob Hinweise auf weitergehende Pflichten zur Beratung und Sachaufklärung vorgelegen haben – als auch der Umfang, in dem das Klageverfahren für d. Kl. sich im Ergebnis als erfolgreich erwiesen hat.
4. In begründeten Einzelfällen kann auch eine Übernahme der vollen außergerichtlichen Kosten d. Kl. durch den Verwaltungsträger angemessen sein.
Normenkette
SGG § 193
Verfahrensgang
SG Frankfurt am Main (Beschluss vom 20.07.1994; Aktenzeichen S-11/12/Vb-3051/91) |
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluß des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 20. Juli 1994 (Az.: S-11/12/Vb-3051/91) wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin und Antragstellerin ist Schwerbehinderte im Sinne des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG). Durch rechtsverbindlichen Bescheid vom 18. Juni 1984 wurden bei ihr folgende Behinderungen festgestellt:
- Schwere Arthrose beider Daumen mit Subluxation Senk-Spreizfüße beiderseits
- Hochgradige Schwerhörigkeit
- Koronare Herzkrankheit, Herzinfarkt 4/83, Bluthochdruck
- Sehminderung
- Degenerative Wirbelsäulenveränderungen mit Verbiegung
und der Grad der Behinderung (GdB) mit 70 bewertet.
Ein Erhöhungsantrag der Klägerin vom 5. November 1990 führte zu dem Bescheid des Beklagten vom 8. Januar 1991, mit dem die Behinderung zu 5. wie folgt neu bezeichnet wurde:
„5. Degenerative Wirbelsäulenveränderungen mit Verbiegung, Gonarthrose beiderseits”.
Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 12. November 1991). Zur Begründung führte der Beklagte und Antragsgegner u.a. aus, aufgrund der im Widerspruchsverfahren beigezogenen medizinischen Unterlagen könne nach versorgungsärztlicher Auswertung eine andere Entscheidung nicht getroffen werden.
Am 4. Dezember 1991 hat die Klägerin beim Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben. Zur Begründung hat sie u.a. ein auf eigene Rechnung erstelltes Privatgutachten des Orthopäden Dr. B. vorgelegt und vorgetragen, es sei eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes eingetreten. Das Ausmaß ihrer Behinderungen habe sich verstärkt.
Nach Beiziehung von Befundberichten der Dres. Z. und B. hat das Sozialgericht Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens bei dem Arzt für Orthopädie Dr. … Dieser gelangte in seinem Gutachten vom 28. April 1993 zusammenfassend zu der Beurteilung, seit Erteilung des Bescheides vom 18. Juni 1984 habe die schwere Arthrose der Daumensattelgelenke zugenommen und zu einer Versteifung geführt. Außerdem finde sich jetzt eine Polyarthrose der Fingergelenke. Diese Behinderungen bewertete der Gutachter mit einem Einzel-GdB von 20. Darüber hinaus stellte er fest, daß die degenerativen Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule wesentlich stärker geworden seien (Einzel-GdB 20). Hinzu komme als neue Funktionsbeeinträchtigung eine Arthrose beider Kniegelenke mit Beugebehinderung und einem Einzel-GdB von 10. Unter Berücksichtigung der von anderen Fachgebieten festgestellten Behinderungen der Klägerin bewertete der Gutachter den Gesamt-GdB mit 80. Daraufhin erteilte der Beklagte den Neufeststellungsbescheid vom 3. August 1993, mit dem er die Behinderungen der Klägerin entsprechend dem Gutachten von Dr. A. neu bezeichnete und den GdB mit insgesamt 80 feststellte.
Mit Schrifts...