Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostengrundentscheidung. Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache. Teilanerkenntnis des Sozialleistungsträgers. Änderung der Verhältnisse während des gerichtlichen Verfahrens
Leitsatz (amtlich)
Nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache bei Erfüllung der Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs durch eine Änderung der Verhältnisse erst während des gerichtlichen Verfahrens sind einem Sozialleistungsträger nur dann keine Kosten gem. § 102 S. 3, § 193 Abs. 1 SGG aufzuerlegen, wenn er unverzüglich ein Teilanerkenntnis für die Zeit ab Änderung der Verhältnisse abgibt. Bestehen Hinweise dafür, daß sich die Verhältnisse bereits vor dem Zeitpunkt geändert haben, ab dem der Anspruch anerkannt wurde, und weist daher die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache durch Teilanerkenntnis der Beklagten und Klagerücknahme im übrigen durch die Klägerin/den Kläger im Ergebnis den Charakter eines Vergleichs auf, so sind die Kosten nach billigem Ermessen zu verteilen.
Normenkette
SGG § 102 S. 3, § 193 Abs. 1; ZPO §§ 91, 93
Verfahrensgang
SG Wiesbaden (Beschluss vom 02.02.1993; Aktenzeichen S-1/B-1/93) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluß des Sozialgerichts Wiesbaden vom 2. Februar 1993 abgeändert.
II. Die Beschwerdegegnerin hat der Beschwerdeführerin die Hälfte ihrer zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Mit Bescheid vom 23. September 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 1991 lehnte die Beschwerdegegnerin einen Antrag der Beschwerdeführerin vom 10. Juni 1991 auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, aufgrund des Ergebnisses des Gutachtens der Fachärztin für Chirurgie, Frau Dr. H., vom 23. Juli 1991 mit der Begründung ab, daß die Beschwerdeführerin nach den ärztlichen Feststellungen sowohl in ihrem bisherigen Beruf als Betriebsprüferin als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch vollschichtig tätig sein könne. Bei der Beurteilung der Erwerbsfähigkeit hatte Frau Dr. H. folgende Diagnose gestellt: Bewegungseinschränkung des rechten Kniegelenkes bei erheblichen arthrotischen Veränderungen, endgradige Bewegungsbehinderung der Lendenwirbelsäule bei mäßigen degenerativen Veränderungen.
Die von der Beschwerdeführerin daraufhin erhobene Klage vor dem Sozialgericht Wiesbaden begründete sie mit Schriftsatz vom 13. April 1992 unter Beifügung u.a. eines ärztlichen Attestes ihres behandelnden Orthopäden Dr. S., in welchem dieser bescheinigte, daß bei ihr ein erheblicher Verschleiß beider Kniegelenke besteht. Das rechte Knie sei in seiner Beweglichkeit eingeschränkt. Dadurch komme es zu einer Überlastung des linken Knies und in Verbindung mit dem Verschleiß links, zu massiven Schmerzen und wiederholten Gelenkschwellungen. Das Sozialgericht holte daraufhin zum Zwecke der Sachaufklärung ein orthopädisches Gutachten von Prof. Dr. med. E. P. von der Orthopädischen Klinik und Poliklinik der … G. Universität in M. ein. In seinem Gutachten vom 25. Juli 1992 diagnostizierte Prof. P. ausgeprägte degenerative Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule, insbesondere der Lendenwirbelsäule, in Form einer Osteochondrose, Spondylose und Spondylarthrose, Polyarthrose der Hände, degenerative Veränderungen beider Kniegelenke im Sinne einer Gonarthrose, rechts stärker ausgeprägt mit zustand nach arthroskopisch kontrollierter Gelenkrevision, Beugekontrakturen beider Kniegelenke, rechts stärker als links, einen Senk-Spreiz-Fuß beidseits sowie Adipositas und schätzte das Leistungsvermögen der Widerspruchsführerin dahingehend ein, daß diese insbesondere aufgrund der seit der letzten Begutachtung vom 23. Juli 1991 deutlich verschlechterten Befunde im Bereich beider Kniegelenke nicht mehr in der Lage sei, Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig zu verrichten. Der Anmarschweg sollte nicht über 200 m betragen und die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel sei nur bedingt möglich. Hinsichtlich des Zeitpunkts, ab wann diese Einschränkungen gelten, führte der Sachverständige aus, daß der Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin im Gutachten vom 23. Juli 1991 richtig bewertet worden sei. Die von ihm vorgenommene Untersuchung habe gezeigt, daß sich innerhalb eines Jahres eine ganz erhebliche Verschlechterung habe nachweisen lassen, so daß die oben angegebenen Einschränkungen ab dem gegenwärtigen Zeitpunkt Gültigkeit hätten.
Mit Schriftsatz vom 7. September 1992 erkannte die Beschwerdegegnerin den Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf unbestimmte Zeit unter Zugrundelegung eines am 31. Juli 1992 eingetretenen Versicherungsfalles an. Ergänzend vertrat sie die Ansicht, daß eine Belastung mit außergerichtlichen Kosten nicht gerechtfertigt sei, da der Versicherungsfall erst nach Erteilung des angefochtenen Bescheides eingetreten sei und sie den Anspruch unverzüglich anerkannt habe. Mi...