Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablehnung eines Gründungszuschusses. eigene Leistungsfähigkeit. Ermessensfehler. Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen. Versicherungsleistung
Leitsatz (amtlich)
Es ist ermessensfehlerhaft, wenn die Bundesagentur für Arbeit die Gewährung eines Gründungszuschusses (auch) unter Verweis auf die eigene Leistungsfähigkeit des Antragstellers ablehnt.
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 5. August 2014 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB Ill).
Der 1972 geborene Kläger meldete sich am 7. Februar 2012 bei der Beklagten persönlich arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld mit Wirkung zum 1. März 2012.
Davor war der Kläger in der Zeit vom 1. Dezember 2008 bis 30. September 2010 bei der C. IT- und Business Consulting und in der Folgezeit vom 1. Oktober 2010 bis 29. Februar 2012 bei der D. GmbH, jeweils als IT-Consultant, mit einem beitragspflichtigen Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von zuletzt 5.500,- Euro im Monat beschäftigt, wobei das Arbeitsverhältnis durch den Arbeitgeber aus betriebsbedingten Gründen gekündigt wurde.
Mit Bescheid vom 2. März 2012 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld ab dem 1. März 2012 für die Dauer von 360 Kalendertagen in Höhe von 56,73 Euro täglich.
Bereits am 6. Februar 2012 hatte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung eines Gründungszuschusses zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit beantragt. Auf dem formularmäßigen Antrag vom 2. März 2012, bei der Beklagten eingegangen am 5. März 2012, teilte er der Beklagten mit, dass er am 2. März 2012 eine selbständige, hauptberufliche Tätigkeit als Unternehmensberater in A-Stadt aufgenommen habe. Die Anmeldung der freiberuflichen Tätigkeit beim Finanzamt sei am 2. März 2012 erfolgt. Dem Antrag beigefügt war die Stellungnahme der fachkundigen Stelle zur Tragfähigkeit der Existenzgründung nach § 57 Abs. 2 Nr. 3 SGB III durch die GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e.V. vom 1. März 2012 sowie der Businessplan von März 2012. Darin führte der Kläger aus, dass er für die Gründung des Unternehmens im ersten Schritt 3.000 Euro aus privaten Mitteln auf einem separaten Konto bereitstelle. Notfalls könne er familiäre Rücklagen abrufen, die ihm ermöglichten, auftrags- und projektlose Zeiten im Rahmen der Gründung von bis zu sechs Monaten Dauer in der laufenden Lebensführung zu bestehen. Die Aufnahme von Fremdkapital sei nicht vorgesehen. Ausweislich des vorgelegten Liquiditätsplans 2012 ging der Kläger von monatlichen Privatentnahmen für die Lebenshaltung in Höhe von 4.000 Euro und einem positiven Betriebsergebnis aus.
Aufgrund der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit zum 2. März 2012 hob die Beklagte mit Aufhebungsbescheid vom 8. März 2012 ihre Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 2. März 2012 auf.
Mit Bescheid vom 12. März 2012 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung des Gründungszuschuss ab. Der Gründungszuschuss könne zur Sicherung des Lebensunterhaltes und sozialen Sicherung für die Zeit der Existenzgründung gewährt werden. Unter Berücksichtigung der vom Kläger vorgelegten Unterlagen vertrete die Beklagte die Auffassung, dass er aufgrund seiner Einnahmen- und Vermögenssituation über genügend finanzielle Ressourcen verfüge, um das Gründungsvorhaben selbst zu finanzieren.
Hiergegen erhob der Klägervertreter am 12. April 2012 Widerspruch. Die Entscheidung der Beklagten leide an einem Ermessensfehlgebrauch. Die von der Beklagten vorgenommene Begründung für die Ablehnung sei nicht gesetzlich legitimiert. Der Gründungszuschuss sei eine Versicherungsleistung mit gesetzlich exakt genannten Voraussetzungen. Die seitens der Beklagten aufgestellte Voraussetzung der nicht vorhandenen Leistungsfähigkeit zähle nicht zu den gesetzlich benannten Voraussetzungen. Zulässig sei es, auf den Vermittlungsvorrang zu verweisen, nicht dagegen auf die Haushaltssituation der Beklagten, die eigene Leistungsfähigkeit des Antragstellers oder das Verschulden an der Arbeitslosigkeit. Das Vorhandensein finanzieller Ressourcen stelle ein sachfremdes Kriterium für die Beurteilung der Ermessensentscheidung der Gewährung von Gründungszuschuss dar. Im Übrigen verfüge der Kläger nach Abzug der Beiträge zur privaten Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung lediglich über ein Einkommen in Höhe von 2.630,80 Euro monatlich vor Steuern. Bei einer 30-prozentigen Einkommensteuerveranlagung ergebe sich hieraus ein Nettoeinkommen in Höhe von 1.841,56 Euro.
Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2012 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger sei grundsätzlich auf den Vermittlungsvorrang zu verweisen. Nach der zwischenzeitli...