Entscheidungsstichwort (Thema)
Fremdrentenrecht. Qualifikationsgruppeneinstufung. Polen. Berücksichtigung einer langjährigen Berufserfahrung. Nachweis von Beitragszeiten
Leitsatz (amtlich)
1. Die mittlere Berufsbildung in Polen dauerte nur dann vier Jahre, wenn sie auf der siebenklassigen Grundschule aufbaute. Demgegenüber erwarben die der Fachschulausbildung gleichstehende mittlere Berufsbildung bereits nach zwei bis drei Jahren Absolventen von allgemeinbildenden Lyzeen nach Besuch einer postlyzealen Schule. Die Zuerkennung der Qualifikationsgruppe 2 kommt in diesen Fällen bereits nach fünfjähriger Berufsausübung in Betracht.
2. Zum Nachweis von Beitragszeiten für die Anerkennung von Beitragszeiten zu sechs Sechsteln durch Arbeitsbescheinigungen ist eine lückenlose Dokumentation aller Unterbrechungstatbestände erforderlich.
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 12. Oktober 2012 abgeändert und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 7. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2006 in der Fassung des Bescheides vom 28. Januar 2013 verurteilt, die Regelaltersrente des Klägers unter Zuordnung seiner in Polen zurückgelegten Beitragszeiten für die Zeit vom 1. Dezember 1976 bis zum 21. März 1982 in die Qualifikationsgruppe 2 der Anlage 13 zum SGB VI mit einem höheren Rentenzahlbetrag neu festzustellen. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
II. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 12. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.
III. Die Beklagte hat dem Kläger für das Berufungsverfahren 3/10 und für das Klageverfahren 1/6 seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Rentenverfahrens über die Zuordnung und Bewertung der von dem Kläger in Polen zurückgelegten Beitragszeiten nach der Anlage 13 zum Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI).
Der 1939 in C-Stadt/Polen geborene deutsche Kläger besuchte nach eigenen Angaben bis Juni 1956 eine allgemeinbildende Schule im Herkunftsland. Vom 13. März 1958 bis zum 30. November 1964 war er als Lagerverwalter in einer Großhandlung für elektrotechnische Artikel in C-Stadt beschäftigt. Berufsbegleitend besuchte er ebenfalls in C-Stadt ein allgemeinbildendes Lyzeum (Gymnasium) und legte dort am 11. Juni 1963 die, der bundesdeutschen Fachhochschulreife gleichwertige, Reifeprüfung ab. Vom 1. Dezember 1964 bis zum 17. März 1988 war der Kläger durchgängig bei dem schlesischen Unternehmen für Straßenarbeiten, Aktiengesellschaft in D-Stadt, beschäftigt. Nach der Bescheinigung des früheren Arbeitgebers vom 8. Oktober 2001 übte er dabei vom 1. Dezember 1964 bis zum 30. April 1967 eine Tätigkeit als Oberökonom für Versorgung und vom 1. Mai 1967 bis 30. November 1971 als Oberinspektor für die Versorgung aus; vom 1. Dezember 1971 bis zum 30. April 1973 fungierte er als Leiter der Abteilung für die Versorgung sowie vom 1. Mai 1973 bis zum 21. März 1982 als Leiter des Magazins-/Lagerkomplexes. Vom 22. März 1982 bis 31. Oktober 1987 war der Kläger als Sacharbeiter/Fachkraft in der Abteilung für Instandsetzungen und Einkäufe beschäftigt, vom 1. November 1987 bis zum 17. März 1988 war er in dieser Position mit einer hälftigen Arbeitsstelle eingesetzt.
Am 31. Januar 1988 reiste der Kläger in die Bundesrepublik Deutschland ein und lebt seither hier. Mit Bescheid vom 6. Juni 2003 stellte die Beklagte erstmals die von dem Kläger in Polen zurückgelegten Beitrags- und Beschäftigungszeiten gemäß § 149 Abs. 5 SGB VI fest. Darin ordnete sie sämtliche der in Polen zurückgelegten Beitrags- und Beschäftigungszeiten der Qualifikationsgruppe 5 zu und berücksichtigte sie für die Zeit bis zum 31. Oktober 1987 mit fünf Sechsteln. Auf den verspätet hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers nahm die Beklagte ihre für die Zeit vom 1. Dezember 1970 bis 30. Januar 1988 getroffenen Feststellungen mit Bescheid vom 19. Februar 2004 gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zurück und ordnete den Zeitraum der Qualifikationsgruppe 4 zu. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Auf den Antrag des Klägers vom 6. April 2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab dem 1. Juli 2005 eine Regelaltersrente. Die Anerkennung und Bewertung der in Polen zurückgelegten Beitrags- und Beschäftigungszeiten entsprach in dem Rentenbescheid dabei der in dem Feststellungsbescheid vom 19. Februar 2004.
Unter ausführlicher Darstellung seines beruflichen Werdeganges, seiner Qualifikationen und der von ihm ausgeübten Tätigkeiten beanspruchte der Kläger im Widerspruchsverfahren die ungekürzte Anerkennung der Beitragszeiten vom 13. März 1958 bis zum 31. Oktober 1987. Darüber hinaus verlangte er unter Hinweis auf seine langjährige Berufserfahrung und die besonderen Verhältnisse in Polen die Bewertung seiner Tätigkeit in Polen ab dem 1. Dezember 1967 mit der Qualifikationsgruppe 4 sowie ab dem 1. Dezembe...