Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. kein Fortbestehen der Mitgliedschaft arbeitsloser Erziehender. keine durch richterliche Rechtsfortbildung aufzufüllende Gesetzeslücke. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. § 192 Abs 1 Nr 2 SGB 5 ist nicht auf arbeitslose Personen anzuwenden, die weder Erziehungsgeld (oder Elterngeld) beziehen noch Elternzeit in Anspruch nehmen.
2. Eine Gesetzeslücke, die durch richterliche Rechtsfortbildung ausgefüllt werden könnte, liegt nicht vor.
3. Die unterschiedliche krankenversicherungsrechtliche Behandlung von Arbeitnehmern im Erziehungsurlaub bzw in Elternzeit und Arbeitslosen während der Zeit der Kindesbetreuung ist gerechtfertigt. Art 3 Abs 1 GG ist nicht verletzt.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel vom 29. Oktober 2007 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die beitragsfreie Versicherung des Klägers wegen Bezugs von Erziehungsgeld über den 10. Mai 2007 hinaus fortbestand.
Der 1971 geborene Kläger war bis zum 30. Januar 2007 wegen Bezugs von Arbeitslosengeld bei der Beklagten pflichtversichert. Anschließend bestand eine beitragsfreie Mitgliedschaft durch den Bezug von Erziehungsgeld bis zum 10. Mai 2007 für seine am 11. November 2006 geborene Tochter. Seitdem bezieht der Kläger kein eigenes Einkommen. Die vollzeitbeschäftigte Ehefrau des Klägers ist privat krankenversichert.
Mit Schreiben vom 3. August 2007 forderte die Beklagte den Kläger zur Rückgabe seiner Krankenversicherungskarte auf. Der Kläger erklärte mit Schreiben vom 9. August 2007 die Kündigung einer eventuell bestehenden beitragspflichtigen Mitgliedschaft. Er wurde freiwilliges Mitglied bei einer anderen gesetzlichen Krankenkasse.
Der Kläger hat am 9. August 2007 einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Kassel (S 12 KR 250/07 ER) beantragt. Mit Beschluss vom 23. August 2007 hat das Sozialgericht den Antrag als unbegründet abgelehnt, da die Rückforderung der Krankenversichertenkarte keinen anfechtbaren Verwaltungsakt darstelle. Zudem bestehe auch kein Anordnungsanspruch, da die Voraussetzungen für eine beitragsfreie Fortführung der Mitgliedschaft des Klägers ab dem 10. Mai 2007 nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V nicht mehr vorlägen.
Am 20. August 2007 hat der Kläger beim Sozialgericht Kassel Feststellungsklage erhoben. Als Arbeitsloser werde er gegenüber Arbeitnehmern und Beziehern von - seit dem 1. Januar 2007 gewährten - Elterngeld benachteiligt, da dieses einkommensunabhängig gezahlt werde. Mit Gerichtsbescheid vom 29. Oktober 2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Mit dem letzten Tag des Bezugs von Erziehungsgeld (10. Mai 2007) habe die beitragsfreie Mitgliedschaft geendet. Die Pflichtmitgliedschaft habe auch nicht nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V fortbestanden, weil der Kläger sich nicht im Erziehungsurlaub im Sinne dieser Vorschrift befinde. Denn er habe seit dem Ende des Erziehungsgeldbezugs nicht in einem Arbeitsverhältnis gestanden, in dessen Rahmen er Erziehungsurlaub hätte beanspruchen können. § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V sei auch nicht entsprechend auf Zeiten anzuwenden, in denen sich ein Arbeitsloser der Betreuung und Erziehung seines Kindes widmet. Eine rechtswidrige Ungleichbehandlung liege nicht vor. Der Gesetzgeber habe mit der Abkoppelung des Erziehungsurlaubs vom Erziehungsgeld für die in einem Arbeitsverhältnis stehenden Arbeitnehmer eine Vergünstigung geschaffen. Entsprechend sei für diesen Personenkreis das Fortbestehen des Krankenversicherungsschutzes in der bisherigen Ausgestaltung als Pflichtmitgliedschaft geregelt worden. Dies sei naheliegend und gerechtfertigt, da die gesetzliche Krankenversicherung typischerweise die Krankenversicherung der Beschäftigten sei. Während der Beschäftigung bestehe jedenfalls eines der die Versicherungspflicht auslösenden Tatbestandsmerkmale - das Beschäftigungsverhältnis - fort. Erziehungsurlaub bzw. Elternzeit fänden im Recht der Arbeitslosenversicherung hingegen keine derartige Entsprechung. Anders als bei Arbeitnehmern im Erziehungsurlaub seien bei Arbeitslosen während der Zeit der Kinderbetreuung die aktuellen, Versicherungspflicht begründenden Rechtsbeziehungen zur Arbeitslosenversicherung gelöst. Auch ein Verstoß gegen Art. 6 Grundgesetz (GG) liege nicht vor. Die seit dem 1. Januar 2007 geltenden Regelungen zum Elterngeld seien auf den Kläger nicht anwendbar.
Der Kläger hat gegen den ihm am 31. Oktober 2007 zugestellten Gerichtsbescheid am 26. November 2007 vor dem Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt und vorgetragen, dass § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V auch auf Arbeitslose anzuwenden sei. Der Gesetzgeber habe mit den Vorschriften zum Elterngeld für Arbeitslose, die sich der Betreuung ihrer nach dem 31. Dezember 2006 geborenen Kinder widmen, geregelt, dass Arbeitslose unabhängig vom Einkommen ihres Ehegatten Elterngeld beziehen. Die Stichtagsregelung zum El...