1. Vorsatz
a) Ausschluss durch Vertrauen auf Delegaten
Trotz ihrer Kürze lassen sich den Entscheidungsgründen Maßgaben zur Feststellung von Vorsatz und Leichtfertigkeit entnehmen. Einerseits steht das (glaubhafte) Vertrauen auf die sachgerechte Aufgabenerfüllung durch Delegaten grundsätzlich der Annahme eines Tatvorsatzes entgegen.
Damit positioniert sich der BGH ähnlich wie der BFH. Dieser hatte bereits im Jahr 1973 Einschränkungen hinsichtlich des voluntativen Vorsatzelementes ausgesprochen. Stehe fest, dass der Kläger einen Steuerberater mit der Erfüllung seiner steuerlichen Aufgaben beauftragt habe, folge bereits hieraus, dass der Kläger seine steuerlichen Verpflichtungen erfüllen wollte. Der BFH formulierte daher auch konsequent, dass die Pflichtenübertragung auf einen Berater eine straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Entlastung des Steuerpflichtigen bedeutet. Für den Fall, dass der Steuerpflichtige dem steuerlichen Berater die für die Steuererklärung erforderlichen Informationen verschafft, ist nach dem BFH ferner im Regelfall davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige darauf vertraut, der Steuerberater werde rechtzeitig richtige und vollständige Angaben machen, so dass nur bei Vorliegen besonderer Umstände von einer Steuerhinterziehung des Steuerpflichtigen ausgegangen werden.
Beraterhinweis Das vom BGH zuletzt explizit unterstrichene voluntative Vorsatzelement in Form der zumindest billigenden Inkaufnahme einer Steuerverkürzung ist aber auch schon dann in die Ferne gerückt, wenn zur Erfüllung steuerlicher Pflichten Aufgaben an eigene Mitarbeiter delegiert werden, und erst recht, wenn darüber hinaus ein Steuerberater tätig ist.
b) Anlass zum Hinterfragen
Das gilt indes dann nicht, wenn der Verpflichtete mit den Worten des BGH Anlass zum Hinterfragen der Tätigkeit der Delegaten hat. Bestehen daher objektiv Anhaltspunkte für eine Mangelhaftigkeit der Leistungen der Delegaten oder sind diese zur Erfüllung ihrer Aufgaben fachlich ungeeignet, kann dies die Glaubhaftigkeit des Vortrages, man habe auf seine Mitarbeiter oder seine Berater und in der Folge auf die Richtigkeit der Angaben in Steuererklärungen vertraut, erschüttern.
Andererseits genügt der rein objektive Anlass zu Zweifeln nicht für die Annahme vorsätzlichen Verhaltens. Die tatrichterliche Feststellung des Vorsatzes erweist sich als problematisch, weil ein Rückschluss auf Vorsatz als eine innere Tatsache nur aufgrund der Einlassung des Beschuldigten oder der äußeren Tatumstände möglich ist. Der BGH fordert insoweit eine umfassende Gesamtwürdigung. Zu Recht bezeichnet Rolletschke die Vorsatzfeststellung daher als das Legen eines Mosaiks auf Basis von Indizien.
In der Praxis wird oftmals bereits aus dem Umstand, dass der Beschuldigte bestimmte Aspekte des gesetzlichen Tatbestandes hätte erkennen können oder müssen, ein vorsätzliches Verhalten gefolgert. Dies wird vom KG zu Recht moniert. Im "Strohfrau"-Fall hat der BGH klargestellt, dass Feststellungen zur subjektiven Tatseite einer belastbaren Tatsachengrundlage bedürfen und nicht in Spekulationen über die innere Tatseite verharren dürfen. Ein objektiv feststehendes Defizit, gerade etwa aufgrund einer Verletzung von Sorgfaltspflichten erlaubt daher isoliert keinen Rückschluss auf das Vorstellungsbild.
Vielmehr muss der Beschuldigte Anlass zum Hinterfragen gehabt haben, also dieses Defizit auch wahrgenommen und sich darüber hinweggesetzt haben. In diesem Sinne ist im Vorstellungsbild schon kein Raum für ein Vertrauen, wenn durchgreifende Zweifel des Beschuldigten entgegenstehen. Nimmt der Beschuldigte nämlich (bewusst) Anlass zum Hinterfragen seiner Delegaten, kann dies ein Indiz dafür sein, dass er einen Verkürzungserfolg für möglich hält. Schreitet er nicht ein, kann dies wiederum andeuten, dass er den Taterfolg billigend in Kauf genommen hat. Ebenso sind solche Fälle zu bewerten, in denen der Täter seinen Delegaten bewusst in Unkenntnis über steuerlich erhebliche Tatsachen gelassen hat. Nur wenn der Delegat alle erforderlichen Informationen erhält, darf auf dessen Tätigkeit vertraut werden und muss dessen Tätigkeit nicht im Einzelnen überprüft werden.
Beraterhinweis Andererseits scheidet Vorsatz trotz Erkennens eines Risikos aus, wenn der Täter ernsthaft und nicht nur vage darauf vertraut, dass es sich nicht realisieren wird. Nimmt der Beschuldigte den objektiv bestehenden Anlass zum Hinterfragen seiner Delegaten nicht wahr oder schreitet wider Erwarten nur unzureichend ein, begründet dies keinen Tatvorsatz.