Das BGH-Urt. v. 25.1.2023 – 1 StR 199/22 im Verhältnis zur bisherigen Rechtsprechung
[Ohne Titel]
RA, FAStR/FAStrafR Dr. Rainer Spatscheck / RA Michael Wuschko
Kommt es in objektiver Hinsicht zu einer Steuerverkürzung, bieten sich in Fällen der Aufgabendelegation oft Argumentationsmöglichkeiten, um den Vorwurf vorsätzlicher Steuerhinterziehung zu entkräften. Lässt sich ein Tatvorsatz nicht begründen, kann auch die grundsätzlich subsidiäre leichtfertige Steuerverkürzung im Raum stehen. In einer neueren Entscheidung hat sich der BGH zu einem solchen Fall geäußert und einen neuen Impuls gegeben.
A. Einführung
Maßgeblich für die Erfüllung des objektiven Tatbestands des § 370 Abs. 1 AO ist die Verletzung von steuerlichen Erklärungspflichten. Um sich gesetzeskonform zu verhalten, muss der Steuerpflichtige deren Erfüllung nicht in eigener Person bewirken, sondern kann die Erstellung von Steuererklärungen sowie vorgelagerte Aufgaben an Dritte übertragen.
Kommt es tatsächlich in objektiver Hinsicht zu einer Steuerverkürzung, bieten sich in Fällen der Aufgabendelegation Argumentationsmöglichkeiten, um den oft vorschnell erhobenen Vorwurf vorsätzlicher Steuerhinterziehung zu entkräften. Lässt sich ein Tatvorsatz nicht begründen, kann auch die grundsätzlich subsidiäre leichtfertige Steuerverkürzung i.S.v. § 378 AO im Raum stehen.
In einer neueren Entscheidung hat sich der BGH zu einem solchen Fall geäußert und einen neuen Impuls gegeben. Der nachfolgende Beitrag skizziert daher mögliche Delegationsfälle und untersucht die Entscheidung im Verhältnis zur bisherigen Rechtsprechung. Der Fokus des Beitrags liegt auf Fällen vertikaler Delegation.
B. Aufgabendelegation
I. Delegationsarten
Die Verantwortung für die Erfüllung seiner steuerlichen Erklärungspflichten trägt jede natürliche Person selbst. Steuerrechtssubjekte hingegen, die zwar rechtsfähig, nicht aber eigenständig handlungsfähig sind, müssen sich hierzu ihrer vertretungsberechtigten Organe bedienen, die ihrerseits verpflichtet (§ 34 AO) und insoweit strafrechtlich verantwortlich sind.
In der Praxis weisen die Personen, die direkt von gesetzlichen Erklärungspflichten adressiert sind, häufig weder die insb. bei steuerlich komplexen Sachverhalten erforderliche Fachkenntnis auf noch stehen ihnen zeitliche Kapazitäten zur Verfügung. Ist das Ziel ein gesetzeskonformes Verhalten, kann dieses daher häufig nur dadurch erreicht werden, dass Dritte mit der Aufgabenerfüllung betraut werden. In Betracht kommt dabei eine Delegation sowohl in horizontaler als auch in vertikaler Hinsicht.
II. Horizontale Delegation
Wird ein Steuerpflichtiger von mehreren Personen vertreten, tragen diese im Rahmen des § 34 AO jeweils die Gesamtverantwortung für die steuerlichen Belange des Vertretenen. Dennoch kann ein Bedürfnis nach einer Verteilung der vielfältigen Aufgaben eines Geschäftsbetriebs zwischen den verschiedenen Vertretern bestehen. Im Innenverhältnis wird insoweit eine abgegrenzte Ressort-Zuständigkeit wahrgenommen, z.B. einerseits die kaufmännische und andererseits die technische Geschäftsführung. Die Aufgabenverteilung erfolgt daher horizontal zwischen mehreren im Außenverhältnis gleichermaßen Berechtigten und Verpflichteten.
Beraterhinweis Die öffentlich-rechtlichen Pflichten können durch privatrechtliche Vereinbarungen über die Aufgabenverteilung beschränkt, nicht aber aufgehoben werden, was insb. in Haftungsfällen von Bedeutung ist. Jedenfalls eine Kontroll- und Überwachungspflicht bleibt bestehen. Im Falle einer wirtschaftlichen Krise lebt die uneingeschränkte Gesamtverantwortung wieder auf.
III. Vertikale Delegation
Bei einer vertikalen Delegation reicht der Verpflichtete seine Aufgaben im Rahmen einer hierarchischen Beziehung weiter an von ihm arbeitsvertraglich abhängige Mitarbeiter oder an externe Kräfte. Die Aufgabenbearbeitung ni...