Leitsatz
Lediglich geschätzte Besteuerungsgrundlagen sind nicht stets nach § 235 AO zu verzinsen.
Sachverhalt
Gegen den Kläger wurden Hinterziehungszinsen wegen der Hinterziehung von Einkommen- und Vermögensteuer festgesetzt. Die steuerpflichtigen Einnahmen bzw. das Vermögen waren hierbei von der Steuerfahndung teilweise geschätzt worden. Wegen der Hinterziehung der Einkommensteuer kam es auch zu einer strafrechtlichen Verurteilung. Nur gegen die Festsetzung der Zinsen zur Vermögensteuer legte der Kläger Einspruch ein, der zurückgewiesen wurde. Anschließend erhob er Klage gegen die gesamte Zinsfestsetzung. Insbesondere machte er geltend, die Besteuerungsgrundlagen hätten für die Zinsfestsetzung nicht geschätzt werden dürfen.
Entscheidung
Das Finanzgericht wies die Klage als unzulässig ab, soweit sich der Kläger gegen die Zinsfestsetzung zur Einkommensteuer richtete, da es hier an einem Einspruchsverfahren gefehlt habe. Hinsichtlich der Zinsfestsetzungen zur Vermögensteuer gab es der Klage statt, soweit die Zinsen auf geschätzten Besteuerungsgrundlagen beruhten. Zur Begründung führte es an, dass das Vorliegen einer Steuerstraftat auch hinsichtlich der Vermögensteuer unstreitig sei. Zinsen dürften aber nach § 235 AO nur auf die Beträge festgesetzt werden, die auch tatsächlich hinterzogen worden seien. Gerade hinsichtlich der geschätzten Beträge treffe das Finanzgericht insoweit eine besondere Prüfungspflicht. Hierbei gelte auch der Grundsatz "in dubio pro reo". Hinsichtlich der geschätzten Beträge habe die erforderliche Gewissheit, dass der Kläger tatsächlich Vermögensteuer in dieser Höhe hinterzogen habe, nicht gegeben. Die Aussagen hierzu im Bericht der Steuerfahndung seien nicht ausreichend.
Hinweis
Die Entscheidung verdeutlicht die Frage, wann Hinterziehungszinsen nach § 235 AO bei geschätzten Beträgen festgesetzt werden können. Nach § 235 AO ist Gegenstand der Verzinsung die hinterzogene Steuer. Dabei ist die Finanzbehörde oder das Finanzgericht nicht an die Feststellungen und Auffassungen der Strafjustiz oder der Strafsachenstellen gebunden . Hier verwarf das Gericht zutreffend die Klage gegen die Hinterziehungszinsen zur Einkommensteuer, da es an einem Vorverfahren gefehlt hat. Hinsichtlich der Zinsen auf die geschätzten Werte im Rahmen der Vermögensteuer wendete das Gericht indes eigene Einschätzungen zur strafrechtlichen Würdigung an und kam zu der Überzeugung, diese geschätzten Beträge seien nicht mit hinreichender Gewissheit durch die Steuerfahndung dargelegt. Es besteht also grundsätzlich kein Verbot, geschätzte Beträge nach § 235 AO zu verzinsen. Wohl aber treffen in einem solchen Fall die Finanzbehörde wesentlich erhöhte Anforderungen, um die Schätzung zur Gewissheit des Gerichts darzulegen. Insofern bestehen in der Praxis erheblich bessere Möglichkeiten die Zinsfestsetzung auf geschätzte Beträge anzugreifen als bei nachgewiesenen hinterzogenen Steuern. In einem solchen Fall bedarf es schon erheblicher substantiierter Einwendungen.
Link zur Entscheidung
FG München, Urteil vom 08.10.2009, 15 K 1779/06