Dr. Dario Arconada Valbuena, Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Der Steuerberater hat im Rahmen seines Auftrags den Mandanten umfassend zu beraten und ungefragt über alle bedeutsamen steuerlichen Einzelheiten und deren Folgen zu unterrichten. Insbesondere muss er seinen Auftraggeber möglichst vor Schaden bewahren. Zu diesem Zweck hat er den sichersten Weg zu dem erstrebten steuerlichen Ziel aufzuzeigen und sachgerechte Vorschläge zu dessen Verwirklichung zu unterbreiten. Die mandatsbezogen erheblichen Gesetzes- und Rechtskenntnisse muss der Steuerberater besitzen oder sich ungesäumt verschaffen. Neue oder geänderte Rechtsnormen hat er in diesem Rahmen zu ermitteln (vgl. BGH, Urteil v. 15.7.2004, IX ZR 472/00, DStR 2004, 1677, m. w. N.).
Vor allem die zunehmende Komplexität der rechtlichen Strukturen lässt den einen oder anderen Steuerberater ins Straucheln geraten. Denn die Gesetzesflut in Deutschland ist fast nicht mehr zu überschauen. Steuerberatung ist diffizil, weil das Steuerrecht immer im Zusammenhang mit anderen Rechtsgebieten gesehen und geprüft werden muss. Deswegen sind die Haftungsrisiken für den Steuerberater extrem hoch – die Steuerberaterhaftung kann für beide Seiten existenzbedrohende Konsequenzen haben.
In Honorargestaltung 12/2022 wurde die Entscheidung des OLG Hamm (Beschluss v. 17.9.2021, I-25 U 58/20, DStRE 2022, S. 509, NZB eingelegt, Az. beim BGH: IX ZR 158/21) näher vorgestellt. Das OLG hat entschieden, dass ein Anspruch auf Schadensersatz aus den zwischen den Parteien geschlossenen Steuerberatervertrag i. V. m. § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB, der einzigen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage, im dortigen Streitfall nicht bestand. Der Kläger hatte eine schuldhafte Pflichtverletzung seiner Steuerberaterin (bei Abschluss einer tatsächlichen Verständigung im Rahmen einer Betriebsprüfung) nicht dargetan. Ferner mangelte es an der Darlegung eines auf die Pflichtverletzung zurückzuführenden Schadens.
Dass die Sache für den Steuerberater auch anders ausgehen kann, zeigt die – eher mandantenfreundliche – Entscheidung des OLG Karlsruhe (Urteil v. 30.3.2022, 3 U 11/20, DStR 2022, S. 2285). Danach führt der Abschluss einer tatsächlichen Verständigung nicht zwingend zum Ausschluss des Anspruchs eines Mandanten gegenüber einem Steuerberater auf Ersatz eines Steuerschadens infolge eines Beratungsfehlers. Außerdem hat das Gericht entschieden, dass eine Geldauflage nach § 153a StPO und die mit einem Strafverfahren zusammenhängenden Beratungskosten ein ersatzfähiger Schaden sein können. Steuerliche Auswirkungen bei Dritten seien aber nur in Ausnahmefällen in die Schadensberechnung einzubeziehen.
Die Einzelheiten des Streitfalls
Der Steuerberater S war mit der umfassenden steuerlichen Beratung des Inhabers einer Arztpraxis (Dr. A) und dessen Ehefrau beauftragt. Auf Vorschlag des S wurde u. a. die Service AG (AG) gegründet, die Dienstleistungen verschiedenster Art für Dr. A erbrachte. In der Folge beteiligte sich ein weiterer Arzt (Dr. B) an der Einzelpraxis des Dr. A, die fortan in Form einer Gemeinschaftspraxis (GbR) geführt wurde, und an der AG. S übernahm in gesonderten Verträgen auch die umfassende steuerliche Beratung des Dr. B, dessen Ehefrau sowie der GbR. Dies umfasste auch die Buchführung und die Fertigung von Steuererklärungen.
Eine schriftliche Vereinbarung über die Erbringung von Dienstleistungen zwischen der GbR und der AG bestand nicht. Des Weiteren bezahlte die GbR die Leistungen der AG, ohne dass diese Rechnungen ausstellte. Die Zahlungen an die AG wurden steuerlich als Betriebsausgaben der GbR und Erlöse der AG gebucht.
Das Finanzamt führte für die Jahre 2007 bis 2011 eine Betriebsprüfung durch. Es kam zu dem Ergebnis, dass die Vorgehensweise, nach der die Zahlungen der GbR an die AG auf der einen Seite als Betriebsausgaben erfasst und auf der anderen Seite als Erlös verbucht wurden, nicht anerkannt werden könne. Für die Jahre ab 2011 sei die Vorgehensweise aber nicht zu beanstanden (Zugeständnis des Finanzamts im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung). Der AG wurde allerdings die Auflage gemacht, eine Rahmenvereinbarung schriftlich zu fixieren.
Hieraus folgten Steuernachzahlungen des Dr. A und des Dr. B im insgesamt mittleren sechsstelligen Bereich zzgl. Zinsen. Bei der AG ergaben sich Steuererstattungen und Verlustvorträge.
Gegen Dr. A wurde zudem ein Ermittlungsverfahren geführt, das allerdings gegen Zahlung einer Geldauflage von 50.000 EUR nach § 153a StPO eingestellt wurde. Ihm sind diesbezüglich Beratungskosten i. H. v. 13.500 EUR entstanden.
Dr. A und Dr. B sowie deren Ehefrauen – die Kläger – machten in der Folge Schadensersatzansprüche gegen S geltend und vertraten die Auffassung, dass dieser in mehrfacher Hinsicht gegen seine Beratungspflichten verstoßen habe.
Entscheidung des OLG Karlsruhe
Nachdem bereits das LG Mannheim (Urteil v. 8.5.2020, 1 O 313/17) der Klage überwiegend stattgegeben hatte, hat das OLG die Entscheidung des LG im Wesentlichen bestätigt, den Klägern aber noch weitergehende Schadensersatzansprüche zugesprochen.
Den Entscheidungsgr...