Ulrike Geismann, Dr. Andreas Nagel
Im Rahmen seiner Urteilsfindung vom 5.10.2018 (Az. 8 U 203/17) setzte sich das OLG Frankfurt am Main mit den folgenden gebührenrechtlichen Fragestellungen auseinander:
- Wie gestaltet sich die Beweislast des steuerlichen Beraters bei Überschreiten der Mittelgebühr?
- Welche Bedeutung kommt der Toleranzgrenze i. H. v. 20 % bei Überschreiten der Mittelgebühr zu, bzw. entkräftet die Toleranzgrenze die Notwendigkeit der Darlegungs- und Beweislast?
- Können Bestandteile eines Jahresabschlusses abgerechnet werden, auch wenn deren Erstellung gesetzlich nicht notwendig ist?
Eine Steuerberatungsgesellschaft begehrte vor dem OLG Frankfurt die Begleichung offener Honoraransprüche, resultierend aus der Erstellung von Steuererklärungen und Jahresabschlüssen nebst dazugehöriger Erläuterungsberichte für die Veranlagungszeiträume 2013 und 2014.
Die Mandantin (Beklagte) bestritt, für die von der Steuerberatungsgesellschaft erstellten Erläuterungsberichte selbiger einen Auftrag erteilt zu haben. Sie berief sich darauf, dass ein Erläuterungsbericht gesetzlich grundsätzlich nicht vorgeschrieben sei, und dass in Ermangelung eines Auftrags somit kein abrechenbarer Gebührentatbestand vorliege.
Im Rahmen der rechtlichen Würdigung warf das OLG Frankfurt zudem die grundsätzliche Frage auf, inwieweit die Klägerin berechtigt gewesen sei, die Mittelgebühr für einzelne, der Beklagten in Rechnung gestellte Honorarforderungen, zu überschreiten.
Komplette Gebührenrechnung wird stets gerichtlich geprüft
Es wird wieder einmal deutlich, dass die Gerichte nicht nur isoliert die strittigen gebührenrechtlichen Tatbestände aufgreifen, sondern die komplette Gebührenrechnung einer rechtlichen Überprüfung unterziehen.
Weitere Fragen, die der Urteilsfindung zugrunde gelegt wurden:
- Darf eine Steuerberatungsgesellschaft im Rahmen der Erstellung von Jahresabschlüssen und Steuererklärungen gesetzlich nicht vorgeschriebene weitere Arbeiten durchführen (hier: Erläuterungsbericht), ohne hierfür einen gesonderten Auftrag von der Mandantin erhalten zu haben?
- Wem obliegt die Darlegungs- und Beweislast im Rahmen strittiger Honorarforderungen zwischen Mandantin und Steuerberatungsgesellschaft?
- Unter welchen Voraussetzungen ist die Überschreitung der Mittelgebühr für die Aufstellung eines Jahresabschlusses grundsätzlich möglich?
- Gilt bei Anwendung der 20 %-Toleranzgrenze im Rahmen des Überschreitens der Mittelgebühr die darüber hinaus gehende Notwendigkeit der Darlegungs- und Beweislast?
Das Gericht stellt klar, dass gesetzlich nicht notwendige Tätigkeiten, die vom Steuerberater in Rechnung gestellt werden, grundsätzlich nur dann abrechenbar sind, wenn er nachweisen kann, dass ihm für deren Erstellung ein entsprechender Auftrag vorgelegen hat. Die Darlegungs- und Beweislast liegt also beim Steuerberater.
Es wird somit deutlich, dass sich alle Tätigkeiten, die über das gesetzlich eingeforderte Maß hinausgehen, gebührenrechtlich in einem "schwebend unwirksamen Zustand" befinden. Das gilt insbesondere dann, wenn der Mandant gesetzlich nicht zur Erstellung eines Jahresabschlusses verpflichtet ist, der Steuerberater es jedoch unterlässt, ihn darauf hinzuweisen, dass der Wechsel von der Einnahmen-Überschussrechnung hin zur Aufstellung einer Bilanz freiwillig vollzogen wird. Auch hinsichtlich der Erstellung von Lageberichten, Segmentberichten, Kapitalflussrechnungen, Eigenkapitalspiegeln und weiteren Erläuterungsberichten ergibt sich die Notwendigkeit – sofern diese aufgrund der Größe der GmbH nicht zwingend erforderlich sind – vorab eine schriftliche Einwilligung einzuholen. Wird dies unterlassen, entfällt der Honoraranspruch spätestens dann, wenn das Gericht von diesen Abrechnungstatbeständen Kenntnis erlangt.
Hinsichtlich der von der Klägerin erstellten weiteren Jahresabschlüsse und Steuererklärungen stellte das Gericht fest, dass eine sog. "Aktivlegitimierung" vorliegt, und deren Erstellung somit in ihrer Notwendigkeit unzweifelhaft und damit grundsätzlich auch abrechenbar sei.
Im Weiteren führt das OLG Frankfurt aus, dass die Darlegungs- und Beweislast, insbesondere für die Billigkeit der von ihm getroffenen Gebührenbestimmung, grundsätzlich beim Steuerberater liegt. Hier verweist das Gericht u. a. auf das Urteil des OLG Hamm vom 26.11.2013 (Az. 25 U 5/13). Das Gericht konkretisiert die Darlegungs- und Beweislast insofern, als dass alle Umstände, die für den Ansatz der konkreten Satzrahmengebühr maßgeblich waren, vom Steuerberater im Streitfall benannt werden können müssen.
Zur Findung der konkreten Rahmengebühr stellt das OLG Frankfurt dabei auf die folgenden Kriterien ab, die in die Bemessung der Gebühr einzubeziehen sind:
- Umfang und Schwierigkeit der beruflichen Tätigkeit
- Bedeutung der Angelegenheit für den individuellen Mandanten
- Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Mandanten
- Ein besonderes Haftungsrisiko des steuerlichen Beraters kann Niederschlag finden
Keine verbindliche Gebührenforderung dem Grunde nach
Ausdrücklich weist das Gericht darauf hin, dass s...