Jürgen Berners, Dr. Andreas Nagel
Frage:
Wir haben im Kollegenkreis darüber diskutiert, ob das Finanzamt eine Einspruchsentscheidung wirksam an einen bereits im Veranlagungs- und Rechtsbehelfsverfahren aufgetretenen Steuerberater oder Rechtsanwalt bekanntgeben darf, obwohl der Behörde keine ausdrückliche Vollmacht des Steuerpflichtigen vorgelegt worden ist. Sollte in diesem Fall eine wirksame Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung vorliegen, stellt sich die Frage, ob für den Prozessbevollmächtigten Handlungsbedarf besteht. Ich frage mich nun, wie in den in Rede stehenden Fällen zu verfahren ist?
Antwort:
Der Steuerpflichtige (Mandant) kann sich im Besteuerungsverfahren für alle Verfahrenshandlungen durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Die Vollmacht kann das gesamte Verfahren, einzelne Steuerarten, aber auch nur einzelne Handlungen, etwa die Entgegennahme von Verwaltungsakten (Zustellungsvollmacht) und auch dies beschränkt auf bestimmte Verwaltungsakte betreffen (vgl. § 80 AO).
Schutz der Beteiligten
Eine gesetzliche Einschränkung des Umfangs der Vollmacht ergibt sich allerdings aus § 80 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 AO. Danach ermächtigt die Vollmacht nicht automatisch zum Empfang von Steuererstattungen und Steuervergütungen. Dieser Ausschluss dient dem Schutz des Beteiligten.
Die Bevollmächtigung zum Empfang von Steuererstattungen und Steuervergütungen ist jedoch nicht gänzlich der Gestaltungsfreiheit des Beteiligten entzogen, sondern es muss eine entsprechende ausdrückliche Inkassovollmacht erteilt und dies der Finanzbehörde angezeigt werden, um der Schutzfunktion der Norm gerecht zu werden (BFH, Urteil v. 16.10.1990, VII R 118/89, BStBl II 1991, S. 3).
Bei Personen i. S. d. § 3 StBerG, die für den Steuerpflichtigen handeln, wird eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung vermutet (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 AO). Die Vermutung der wirksamen Vollmacht gilt für alle Steuerverfahren. § 80 Abs. 3 AO ermächtigt die Finanzbehörde allerdings dazu, jederzeit und ohne konkreten Anlass den Nachweis einer von einem Dritten angezeigten Vollmacht zu verlangen. Die Anforderung eines Nachweises einer Vollmacht steht im Ermessen (vgl. § 5 AO) der Finanzbehörde. Die Befugnis zur Anforderung besteht jederzeit und kann auch ohne besonderen Anlass erfolgen, z. B. im Rahmen einer Stichprobe.
Zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen befugte Personen
Zu den Personen des § 3 StBerG, die zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen befugt sind, gehören u. a. Steuerberater und Rechtsanwälte. Für diese wird daher nach § 80 Abs. 3 AO eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung vermutet, ohne dass sie eine Vollmacht beim Finanzamt einreichen müssen.
Die Vorschrift des § 80 AO wird durch § 80a AO ergänzt. Diese Norm regelt die Rahmenbedingungen für die elektronische Übermittlung von Vollmachtsdaten und schafft daran anknüpfend zudem eine gesetzliche Vermutung für eine tatsächliche Bevollmächtigung bei der elektronischen Übermittlung solcher Daten (§ 80a Abs. 2 Satz 1 AO).
Bekanntgabe von Verwaltungsakten
Nach § 122 Abs. 1 Satz 1 AO ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekanntzugeben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Der Verwaltungsakt kann auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekanntgegeben werden (§ 122 Abs. 1 Satz 3 AO). Gem. § 122 Abs. 1 Satz 4 AO soll er dem Bevollmächtigten bekanntgegeben werden, wenn der Finanzbehörde eine schriftliche oder nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch übermittelte Empfangsvollmacht vorliegt, solange dem Bevollmächtigten nicht eine Zurückweisung nach § 80 Abs. 7 AO bekanntgegeben worden ist.
Finanzamtsermessen
Es liegt im Ermessen des Finanzamts, ob es einen Steuerbescheid an den Steuerpflichtigen selbst oder an dessen Bevollmächtigten bekannt gibt (§ 122 Abs. 1 Satz 3 AO). Nach Nr. 1.7.2 AEAO zu § 122 gilt bei Ausübung des Ermessens u. a. Folgendes: Hat der Steuerpflichtige dem Finanzamt ausdrücklich mitgeteilt, dass er seinen Vertreter auch zur Entgegennahme von Steuerbescheiden ermächtigt, sind diese grundsätzlich dem Bevollmächtigten bekannt zu geben (BFH, Urteil v. 5.10.2000, VII R 96/99, BStBl II 2001, S. 86). Dies gilt auch, wenn der Steuerpflichtige dem Finanzamt eine Vollmacht vorgelegt hat, nach der der Bevollmächtigte berechtigt ist, für den Steuerpflichtigen "rechtsverbindliche Erklärungen" entgegen zu nehmen (BFH, Urteil v. 23.11.1999, VII R 38/99, BStBl II 2001, S. 463).
Die im Einkommensteuer-Erklärungsvordruck erteilte Empfangsvollmacht gilt nur für Bescheide des betreffenden Veranlagungszeitraums (vgl. BFH, Beschluss v. 16.1.2001, XI B 14/99, BFH/NV 2001, S. 888) und umfasst auch Änderungsbescheide (BFH, Urteil v. 29.5.1996, I R 42/95, BFH/NV 1997, S. 1).
Keine Vollmacht liegt ohne Weiteres vor, wenn sich der Steuerpflichtige allgemein im Besteuerungsverfahren vor dem Finanzamt durch einen Steuerberater vertreten lässt oder in dem Hinweis auf die Mitwirkung des Steuerberaters bei der Erstellung der Steuererklärung bzw. das Finanzamt möge sich bei Rückfragen mit einem Rechtsan...