Dr. Andreas Nagel, Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Frage:
Eine sachgerechte und gleichmäßige Beratung durch Angehörige der steuerberatenden Berufe setzt u. a. voraus, dass ihnen hierfür genügend Zeit zur Verfügung steht. Die Corona-Pandemie stellt die Angehörigen der steuerberatenden Berufe aber in besonderer Weise u. a. durch die Bearbeitung der akuten Corona-Hilfsanträge vor zusätzliche Anforderungen und bindet enorme Kapazitäten. Die Einhaltung der gesetzlichen Steuererklärungsfrist für den Veranlagungszeitraum 2019 ist in diesen Fällen vielfach nicht mehr gewährleistet.
Wird eine Steuererklärung nicht fristgerecht abgegeben, hat dies nicht nur die zwingende Festsetzung eines Verspätungszuschlags zur Folge, sondern es droht in Nachzahlungsfällen nach Ablauf der 15-monatigen Karenzzeit auch die Festsetzung von Zinsen.
Fristen zur Einreichung von Steuererklärungen können auf Antrag zwar (rückwirkend) verlängert werden. Ein Antrag auf Fristverlängerung über den letzten Tag des Monats Februar 2021 hinaus erscheint aber regelmäßig nicht zielführend, da dies voraussetzt, dass der Berater ohne Verschulden verhindert ist oder war, die Steuererklärungsfrist einzuhalten. Zum Verschuldensmaßstab ist bekanntlich auf die Verschuldensprüfung zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückzugreifen.
Es ist die Frage aufgetaucht, ob für die Abgabe der Steuererklärungen für den Veranlagungszeitraum 2019 ausnahmsweise andere "Spielregeln" gelten.
Antwort:
Der Gesetzgeber hat dieses Problem zwischenzeitlich erkannt. Er räumt Angehörigen der steuerberatenden Berufe für die Erstellung der Steuer- und Feststellungserklärungen 2019 in dieser außergewöhnlichen Situation antragslos eine längere Bearbeitungszeit ohne Verspätungsfolgen in Gestalt von Verspätungszuschlägen und Zinsen ein (vgl. Gesetz zur Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und des Anfechtungsschutzes für pandemiebedingte Stundungen sowie zur Verlängerung der Steuererklärungsfrist in beratenen Fällen und der zinsfreien Karenzzeit für den Veranlagungszeitraum 2019 v. 15.2.2021, BGBl 2021 I, S. 237 – nachfolgend: Änderungsgesetz). Die Regelungen stellen sich wie folgt dar:
- Die regulär mit Ablauf des Monats Februar 2021 endende Steuererklärungsfrist nach § 149 Abs. 3 AO für den Besteuerungszeitraum 2019 wird um 6 Monate, mithin bis zum 31.8.2021 verlängert (Art. 97 § 36 Abs. 1 EGAO).
- Die Verlängerung der Steuererklärungsfrist in beratenen Fällen wird im Grundsatz auch auf beratene Land- und Forstwirte erstreckt, die ihren Gewinn nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr ermitteln (§ 149 Abs. 2 Satz 2 AO). In diesen Fällen wird die Erklärungsfrist allerdings nur um 5 Monate, mithin bis zum 31.12.2021 verlängert (Art. 97 § 36 Abs. 1 EGAO).
Wann die verlängerten Fristen nicht gelten
Die verlängerten Steuererklärungsfristen gelten nicht für Fälle, in denen das Finanzamt eine Anordnung nach § 149 Abs. 4 AO (Vorabanforderung von sog. Beratererklärungen) trifft.
- Einhergehend mit der Verlängerung der Steuererklärungsfrist um 6 Monate wird die – regulär 15-monatige – zinsfreie Karenzzeit des § 233a Abs. 2 Satz 1 AO um 6 Monate verlängert, d. h. der Zinslauf beginnt am 1.10.2021 (Art. 97 § 36 Abs. 2 Satz 1 AO). Dies betrifft gleichermaßen Erstattungs- wie Nachzahlungszinsen.
- Aufgrund der 5-monatigen Verlängerung der Erklärungsfrist für beratene Land- und Forstwirte wird auch die 23-monatige zinsfreie Karenzzeit des § 233a Abs. 2 Satz 2 AO für den Besteuerungszeitraum 2019 um 5 Monate verlängert (Art. 97 § 36 Abs. 2 Satz 2 AO). Der Zinslauf beginnt in diesen Fällen am 1.5.2022. Dies betrifft ebenfalls Nachzahlungs- und Erstattungszinsen.
Die Regelungen zur Fristverlängerung und zur Verlängerung der zinsfreien Karenzzeit treten am Tag nach der Verkündung, mithin am 19.2.2021, in Kraft.
Änderungen am COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz
Wie der Gesetzestitel vermuten lässt, hat der Gesetzgeber auch Änderungen am COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG) vorgenommen. Es handelt sich dabei im Wesentlichen um Folgendes:
- Die Insolvenzantragspflicht wird bis zum 30.4.2021 für Unternehmen ausgesetzt, die staatliche Hilfeleistungen aus den zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen der COVID-19 Pandemie aufgelegten Hilfsprogrammen erwarten können. Voraussetzung ist grundsätzlich, dass die Anträge im Zeitraum vom 1.11.2020 bis zum 28.2.2021 gestellt sind. Soweit in diesem Zeitraum aus rechtlichen, insbesondere beihilferechtlichen oder tatsächlichen, insbesondere IT-technischen Gründen noch keine Anträge gestellt werden konnten, soll die Insolvenzantragspflicht auch für Unternehmen ausgesetzt werden, die nach den Bedingungen des Programms in den Kreis der Antragsberechtigten fallen. Ausgenommen bleiben solche Fälle, in denen offensichtlich keine Aussicht auf die Gewährung der Hilfe besteht oder in denen die Auszahlung nichts an der Insolvenzreife ändern könnte (vgl. Art. 1 Nr. 1 des Änderungsgesetzes).
- Bis zum 31.3.2022 geleistete Zahlungen auf Forderungen aufgrund von Stundungen, die bis zum 28.2.2...