Dipl.-Finanzwirt Werner Becker, Jürgen Berners
Da es kein Steuerberater-Haftungsgesetz gibt, ist insbesondere die Rechtsprechung des BGH ausschlaggebend für die Regeln in Sachen Haftung von Steuerberatern. Entscheidend für die Ansprüche auf Schadensersatz sind die Pflichten des Steuerberaters, die (auch) im mit dem Mandanten geschlossenen Steuerberatungsvertrag festgeschrieben sind.
Der Steuerberater ist im Rahmen des ihm erteilten Auftrags verpflichtet, den Mandanten umfassend zu beraten und ungefragt über alle steuerlichen Einzelheiten und deren Folgen zu unterrichten. Er hat seinen Mandanten möglichst vor Schaden zu schützen. Hierzu hat er den relativ sichersten Weg zum angestrebten steuerlichen Ziel aufzuzeigen und die für den Erfolg notwendigen Schritte vorzuschlagen. Im Prozess hat er die zugunsten seines Mandanten sprechenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte vorzutragen. Die mandatsbezogen erheblichen Gesetzes- und Rechtskenntnisse muss der Steuerberater besitzen oder sich verschaffen (BGH, Urteil v. 23.3.2006, IX ZR 140/03, DStR 2006, S. 1203, m. w. N.).
Die Pflicht, den Mandanten vor Fehlentscheidungen des Gerichts zu bewahren, besteht auch in Verfahren, in denen der Amtsermittlungsgrundsatz zum Tragen kommt. Denn die Pflichten im gerichtlichen Verfahren setzen nicht erst dort ein, wo die Entscheidung des Gerichts nach der jeweiligen Verfahrensordnung von dem Vorbringen und den Anträgen der Parteien abhängig ist (BGH, Urteil v. 7.10.2010, IX ZR 191/09, FamRZ 2010, S. 2067).
Es versteht sich von selbst, dass der Steuerberater die v. g. Grundsätze nicht nur in gerichtlichen Verfahren, sondern auch bei der täglichen Arbeit beachten muss. Dass der Steuerberater sich bei deren Nichtbeachtung Schadensersatzansprüchen des Mandanten aussetzt, belegt eindrucksvoll die Entscheidung des LG Münster zu einem in der Praxis wohl öfter vorkommenden Fall (LG Münster, Urteil v. 18.11.2020, 110 O 7/20, DStRE 2021, S. 315, Berufung eingelegt, Az. beim OLG Hamm: I-25 U 67/20).
Der Ausgangssachverhalt
Der durch einen Steuerberater (S) vertretene Steuerpflichtige (Stpfl.) erzielte aus einer Beteiligung als Kommanditist der Firma A Verluste, die er im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung geltend machte. Obwohl diese noch nicht gesondert und einheitlich festgestellt waren, berücksichtigte das Finanzamt C sie antragsgemäß.
Nachdem das Finanzamt C im Oktober 2005 eine Mitteilung des für die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen der Firma A zuständigen Finanzamts M erhalten hatte, wonach sich der steuerliche Verlust aus der Beteiligung gegenüber dem erklärten Betrag geringfügig zugunsten des Stpfl. erhöhte, änderte dies den Einkommensteuerbescheid.
Anfang 2010 erhielt der Stpfl. von den steuerlichen Beratern der Firma A die Mitteilung, dass die mitgeteilten Verluste aufgrund einer Betriebsprüfung voraussichtlich erheblich zu reduzieren seien. Dies nahm der Stpfl. zum Anlass, um über S das Finanzamt C zur Reduzierung etwaiger Nachzahlungszinsen eine Herabsetzung des bislang berücksichtigten Verlusts zu beantragen. Dem kam das Finanzamt C nach und erließ einen erneut geänderten Einkommensteuerbescheid.
Am 14.5.2012 ging dem Finanzamt C eine weitere Mitteilung des Finanzamts M zu, wonach die Verluste des Stpfl. aus der in Rede stehenden Beteiligung nunmehr endgültig in der im Oktober 2005 mitgeteilten Höhe festgesetzt worden seien. Auf diese Mitteilung hin vermerkte der zuständige Mitarbeiter des Finanzamts C am 16.5.2012, dass die Beteiligungseinkünfte bei der Veranlagung des Stpfl. zutreffend angesetzt worden seien, wobei er die auf Antrag des Stpfl. erfolgte Herabsetzung des Verlustbetrags im Jahr 2010 übersah. Aufgrund dieses Irrtums unterblieb im Jahr 2012 eine erneute Änderung des Einkommensteuerbescheids.
Am 2.10.2012 übersandte der Stpfl. dem S ein Anlegerrundschreiben der Firma A, wonach nunmehr die ursprünglich ermittelten Anfangsverluste als zutreffend anerkannt worden seien. Im Rahmen eines darauf folgenden Gesprächs mit S fragte der Stpfl. nach, wann er mit der Erstattung der von ihm geleisteten Zahlungen wegen des zu niedrig angesetzten Verlusts rechnen könne. S teilte ihm mit, dass das Finanzamt M eine entsprechende Änderungsmitteilung an das Finanzamt C senden werde und dieses eine Anpassung des Einkommensteuerbescheids von Amts wegen vornehmen werde. Dies könne und müsse man abwarten.
Nachdem das Finanzamt C im Jahr 2016 eine Korrektur des Einkommensteuerbescheids unter Hinweis auf die zwischenzeitlich eingetretene Festsetzungsverjährung ablehnte, vertrat der Stpfl. die Ansicht, S habe es schuldhaft versäumt, die Angelegenheit unter Beobachtung zu halten. Spätestens nachdem S im Oktober 2012 durch das übergebene Anlegerrundschreiben bekannt geworden sei, dass der Verlust in der von der Firma A erklärten Höhe anerkannt worden sei, hätte er Maßnahmen einleiten müssen, um den nunmehr eingetretenen Rechtsverlust zu verhindern. Der Stpfl. verklagte den S auf Feststellung seiner Schadensersatzpflicht aus § 280 BGB.
Die Entscheidung des LG Münster
Das Gericht h...