Dr. Dario Arconada Valbuena, Jürgen Berners
Wenn ein Mandant seinem Steuerberater die erforderlichen Unterlagen nicht einreicht, macht dieser selten davon Gebrauch, den Mandanten insofern in Verzug zu setzen. Dem Steuerberater könnte aber ein Honoraranspruch zustehen, auch wenn er seine Leistung nicht erbracht hat, aber die Voraussetzungen des Annahmeverzugs vorliegen. Der Annahmeverzug ist in § 615 BGB geregelt:
Zitat
Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt.
In einem Urteil des OLG Düsseldorf (v. 29.8.2017, I – 23 U 153/16) ging es um Folgendes:
Zwischen dem Steuerberater und seinem Mandanten bestand ein umfangreicher mündlicher Steuerberatungsvertrag, der die Durchführung der Lohn- und Finanzbuchführung, die Erstellung des Jahresabschlusses, die Erstellung der Steuererklärungen sowie die steuerrechtliche Beratung beinhaltete. Der Mandant leistete dafür monatlich Vorauszahlungen. Tatsächlich erbrachte der Steuerberater für zwei Jahre lediglich die Erstellung der Lohnabrechnungen. Der Steuerberater hatte den Mandanten jedoch gebeten, die für die Finanzbuchführung erforderlichen Belege zur Verfügung zu stellen. Dem kam der Mandant nicht nach. Eine Kündigung des Mandatsverhältnisses erfolgte erst später. Der Mandant begehrte die Rückzahlung der Vorschüsse.
Im Fall eines umfassenden Steuerberatungsvertrags kommt unstreitig das Dienstvertragsrecht zur Anwendung.
Die Vorinstanz, das LG Düsseldorf (Urteil v. 8.11.2016, 16 O2 108/13) nahm zugunsten des Steuerberaters für ein Jahr hinsichtlich der Finanzbuchführung den Annahmeverzug an. Anders – wie häufig zum Nachteil des Steuerberaters – das OLG Düsseldorf. Es bejaht die grundsätzliche Anwendung des § 615 BGB. Danach könne der Steuerberater eigentlich die vereinbarte Vergütung verlangen, obwohl er selbst seine Leistung nicht erbracht habe und wäre auch nicht zur Nachleistung verpflichtet. § 615 BGB sei jedoch durch spezielle Regelungen des Gebührenrechts ausgeschlossen.
Nach § 12 Abs. 4 StBVV ist gebührenrechtliche Voraussetzung für die Entstehung eines Honoraranspruchs, dass der Steuerberater mit der Ausführung irgendeiner Tätigkeit der Angelegenheit begonnen hat. Das OLG erkennt also das Zustandekommen eines Vertrags, aber noch nicht das Entstehen eines Honoraranspruchs, weil noch mit keiner Tätigkeit begonnen wurde. Eine Verlagerung der Anspruchsentstehung vor den Zeitpunkt des Beginns irgendeiner Tätigkeit lehnt das OLG ab. Denn dann würde mit dem Aufforderungsschreiben des Steuerberaters bereits der Anspruch begründet.
Die Begründung der Entscheidung mit der Berufung auf § 12 Abs. 4 StBVV verwundert. Die Vorschrift lautet:
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Auf bereits entstandene Gebühren ist es, soweit diese Verordnung nichts anderes bestimmt, ohne Einfluss, wenn sich die Angelegenheit vorzeitig erledigt oder der Auftrag endigt, bevor die Angelegenheit erledigt ist.
Die Vorschrift besagt also nichts über das Entstehen des gebührenrechtlichen Anspruchs.
Rechtsgrund eines Honoraranspruchs ist der Steuerberatungsvertrag. Bei einem umfassenden Steuerberatungsvertrag handelt es sich um einen einzigen einheitlichen Dienstvertrag, und gerade nicht um mehrere Dienst- oder Werkverträge. Dies sieht auch das OLG. Es führt aus, dass § 615 BGB keinen eigenständigen Anspruch enthält, sondern nur den ursprünglichen Erfüllungsanspruch wiedergibt. Das Übersenden der Buchführungsbelege begründe jedoch noch keinen Vergütungsanspruch. Dieser entstehe vielmehr erst dann, wenn der Steuerberater mit der Buchführung tatsächlich begonnen habe. Es fehlt jedoch eine Begründung dafür, dass der unstreitig gegebene einheitliche Vertrag anscheinend doch nicht mehr vorliegt bzw. in seine Bestandteile zerlegt wird nach Angelegenheit. Im Weiteren hält das OLG eine Bejahung des § 615 BGB in solchen Fällen auch für unangemessen.
Fazit: Die Begründung der Entscheidung überzeugt nicht, wird jedoch – wie häufig – von anderen Gerichten übernommen werden, da es sich um einen Spezialsenat für Honorarfragen des OLG Düsseldorf handelt. Wie so häufig in Honorarfragen denken Gerichte vom Ergebnis her und finden dann hierzu eine passende Begründung.
In den jeweiligen Angelegenheiten mit Tätigkeiten beginnen
Um den Annahmeverzug in den verschiedenen Angelegenheiten eines einheitlichen umfassenden Steuerberatervertrags zu bewirken, sollte der Steuerberater in den jeweiligen Angelegenheiten bereits mit irgendeiner Tätigkeit begonnen haben.
Autor: RA/FAfStR u ArbR Jürgen F. Berners, Füssen