Jürgen Berners, Dr. Andreas Nagel
Das LG Bonn am 1.7.2021 (15 O 372/20, NJW Spezial 2024, S. 126) und zuvor der EuGH am 26.10.2023 (C 307/22 (FT/DW)) haben Entscheidungen zum Auskunftsrecht nach Art. 15 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) getroffen. Diesen Entscheidungen wurde bisher nicht ausreichend Beachtung geschenkt.
Art. 15 DSGVO gibt ein allgemeines datenschutzrechtliches Auskunftsrecht. Die Vorschrift lautet:
„(1) Die betroffene Person hat das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und auf folgende Informationen:
- die Verarbeitungszwecke;
- die Kategorien personenbezogener Daten, die verarbeitet werden;
- die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, insbesondere bei Empfängern in Drittländern oder bei internationalen Organisationen;
- falls möglich die geplante Dauer, für die die personenbezogenen Daten gespeichert werden, oder, falls dies nicht möglich ist, die Kriterien für die Festlegung dieser Dauer;
- das Bestehen eines Rechts auf Berichtigung oder Löschung der sie betreffenden personenbezogenen Daten oder auf Einschränkung der Verarbeitung durch den Verantwortlichen oder eines Widerspruchsrechts gegen diese Verarbeitung;
- das Bestehen eines Beschwerderechts bei einer Aufsichtsbehörde;
- wenn die personenbezogenen Daten nicht bei der betroffenen Person erhoben werden, alle verfügbaren Informationen über die Herkunft der Daten;
- das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung einschließlich Profiling gemäß Artikel 22 Absätze 1 und 4 und – zumindest in diesen Fällen – aussagekräftige Informationen über die involvierte Logik sowie die Tragweite und die angestrebten Auswirkungen einer derartigen Verarbeitung für die betroffene Person.
(2) Werden personenbezogene Daten an ein Drittland oder an eine internationale Organisation übermittelt, so hat die betroffene Person das Recht, über die geeigneten Garantien gemäß Artikel 46 im Zusammenhang mit der Übermittlung unterrichtet zu werden.
(3) Der Verantwortliche stellt eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung. Für alle weiteren Kopien, die die betroffene Person beantragt, kann der Verantwortliche ein angemessenes Entgelt auf der Grundlage der Verwaltungskosten verlangen. Stellt die betroffene Person den Antrag elektronisch, sind die Informationen in einem gängigen elektronischen Format zur Verfügung zu stellen, sofern sie nichts anderes angibt.
(4) Das Recht auf Erhalt einer Kopie gemäß Absatz 3 darf die Rechte und Freiheiten anderer Personen nicht beeinträchtigen.”
Vorrang der DSGVO vor der BRAO
Das LG Bonn hat bez. der BRAO erkannt, dass nach Art. 15 DSGVO jede betroffene Person nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO, also jede durch personenbezogene Daten identifizierbare oder identifizierte Person, das Recht hat, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeiten werden. Ist dies der Fall, hat die Person u. a. ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten.
Der Begriff der "personenbezogenen Daten nach Art. 4 DSGVO" ist weit gefasst und umfasst nach der Legaldefinition in Art. 4 Nr. 1 DSGVO alle Informationen, die sich auf eine identifizierbare natürliche Person beziehen (unter Verweis auf OLG Köln, ZD 2019, S. 462). Das OLG Köln wie das LG Bonn erkennt einen weiten Umfang dieser Datenauskunft. Gem. der Ansicht des LG Bonn fallen darunter u. a. auch die Angaben aus dem Mandatskonto und die betreffend den Mandanten gespeicherte elektronische Kommunikation.
Im Ergebnis hat also die DSGVO Vorrang vor der BRAO!
Der EuGH hat in einem Fall aus dem Arztrecht entschieden, dass Art. 15 Abs. 3.1 (EU) 2016/619 dahingehend auszulegen sei, dass der betroffenen Person – dem Patienten – eine originalgetreue und verständliche Reproduktion aller Daten vom Arzt zu überlassen sind. Dem hat die verantwortliche Person unentgeltlich nachzukommen. Der EuGH geht mit seinem Urteil sogar weit über den Schlussantrag des Generalanwalts hinaus, der die Auferlegung der tatsächlich entstandenen Kosten für unionrechtskonform ansah und sah auch kein vollständiges unentgeltliches Kopieerteilungsrecht bez. der Patienten-/Arzt-Akte. Die DSGVO ist also das speziellere Gesetz.
Folgen
Die Gerichte erkennen ein umfassendes unentgeltliches Auskunftsrecht durch Überlassung von vollständigen Kopien sämtlicher Daten an den Betroffenen – i. S. d. DSGVO eine natürliche Person. Diese Entscheidungen sind zu verallgemeinern hinsichtlich Rechtsanwälten und Steuerberatern im Hinblick auf Mandanten als natürliche Personen.
Das in Art. 15 DSGVO enthaltene Auskunftsrecht sieht kein gegen Auskunftsanspruch gerichtetes Zurückbehaltungsrecht. Der EU-Gesetzgeber hat jedoch in der Öffnungsklausel des Art. 23 Abs. 1 Buchst. e, i, j DSGVO Möglichkeiten für einen gerechten Inter...